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Gefährder-Anwalt: Vorwürfe gegen das Innenministerium

Geschrieben am 20-05-2019

Hamburg (ots) - Wenige Tage vor der offenbar bevorstehenden
Abschiebung eines mutmaßlichen Gefährders aus Göttingen erhebt dessen
Anwalt Vorwürfe gegen Niedersachsens Innenministerium. Die
Abschiebung seines Mandanten sei unrechtmäßig, sagte Hans-Erik
Schumann im NDR. Die Behörde habe keine eindeutigen Beweise für eine
islamistische Gesinnung seines Mandanten geliefert: "Mein Mandant ist
nicht radikalisiert."

Der 29 Jahre alte Ahmet Karakas besitzt die türkische
Staatsbürgerschaft, ist aber in Deutschland geboren. Er sitzt seit
März in Langenhagen im Abschiebegefängnis. Das Land Niedersachsen
will ihn in die Türkei abschieben und dafür eine Spezialvorschrift
aus dem Aufenthaltsgesetz anwenden, den Paragraphen 58a. Er
ermöglicht bei nachgewiesenem Terrorismusverdacht die Abschiebungen
von islamistischen Gefährdern, die keinen deutschen Pass besitzen.
Der Rechtsweg ist verkürzt: Einzige Instanz ist das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Rechtsanwalt Schumann
kritisiert, im Falle seines Mandanten werde diese Rechtsnorm
missbraucht. Sein Mandant sei kein islamistischer Gefährder. Dem
Innenministerium gehe es nur darum, eine unerwünschte Person
loszuwerden, die zwar eine kriminelle Vergangenheit habe, der aber
kein Terrorbezug nachgewiesen werden könne. Die Anwendung der
Vorschrift sei deshalb verfassungswidrig, sagt Schumann.

Niedersachsens Innenministerium weist diesen Vorwurf zurück. Man
habe sich präzise an die Maßstäbe von Gesetz und Rechtsprechung
gehalten, sagte Ministeriumssprecher Philipp Wedelich im NDR: "Nach
unserer Bewertung geht von dieser Person eine terroristische Gefahr
und auch eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland aus." Konkrete Fragen wollte das Innenministerium mit
Blick auf das laufende Verfahren nicht beantworten.

Nach gemeinsamen Recherchen von "Hallo Niedersachsen" und NDR Info
war Ahmet Karakas nach seinem Umzug von Kassel nach Göttingen im
Sommer vergangenen Jahres ins Visier der Polizei geraten. Er hatte
dort Kontakte zu Personen, die von der Polizei extremistischen
Islamistenkreisen zugerechnet werden. Ein erheblicher Teil der
Erkenntnisse stammt nach NDR Informationen aus abgehörten
Telefongesprächen. Zur Last gelegt werden Ahmet Karakas abstrakte
Gewaltphantasien gegenüber Polizeibeamten, die er in Telefonaten mit
seiner Familie nach einer Hausdurchsuchung äußert. Konkrete
Verabredungen zu politisch motivierten Straftaten gibt es in den
Protokollen nach NDR Informationen nicht, auch keine politischen
Gesprächsinhalte.

Der in Kassel geborene Ahmet Karakas ist bei der Polizei kein
Unbekannter. Sein Straftatenregister ist lang: Es geht um
gemeinschaftlichen Diebstahl, gefährliche Körperverletzung, Nötigung,
gemeinschaftlichen Raub, häusliche Gewalt und vieles mehr. Er gehörte
in Kassel zunächst der Türsteher-, dann der Rockerszene an.
Niedersachsens Behörden attestieren ihm ein impulsives Auftreten und
hohe Gewaltbereitschaft.

Die Einschätzung, sein Mandant sei ein radikaler und
gewaltbereiter Islamist, hält Anwalt Schumann vor allem aus einem
Grund für falsch: "Wenn schon alles abgehört wurde, warum gibt es
keinen einzigen konkreten Hinweis auf Islamismus, auf Salafismus, auf
Ablehnung von Ungläubigen?" Auch die deutsche Lebenspartnerin von
Ahmet Karakas, Dureen Gerke aus Göttingen, bestreitet eine
islamistische Gesinnung. Dagegen sprächen schon ihre konkreten
Lebensumstände: "So wie ich mich kleide, das würde doch kein Islamist
mitmachen." Und noch ein Argument führt sie an: "Wir haben einen Hund
und der darf sogar mit ins Bett. Das passt doch nicht zu einem
Salafisten." Hunde gelten unter strenggläubigen Muslimen als unreine
Tiere.

Die Schwester von Ahmet Karakas beschreibt ihre Bruder als
lebenslustigen Draufgänger, dem Prahlerei und Unbedarftheit immer
wieder zum Verhängnis geworden seien, so sei es auch hier. Sie hat
auf die Schnelle Unterschriften im Freundes- und Bekanntenkreis
gesammelt: "Ahmet ist kein Islamist" haben rund 200 Menschen
unterschrieben.

Ahmet Karakas ließ sich in der Abschiebehaft von einem NDR Team
interviewen. Vor laufender Kamera sagt er: "Ich habe erst hier im
Gefängnis von meinem Anwalt erfahren, was die Scharia überhaupt ist.
Ich wäre der letzte, der so leben will, wie die Scharia es
vorschreibt." Das Verfahren gegen ihn bezeichnete er als "ganz großen
Irrtum". Er sei auch bereit, eine Fußfessel zu tragen oder im
Hausarrest zu leben, er habe nichts zu verbergen.

Das Amtsgericht Hannover hatte bei einem Haftprüfungstermin eine
Beschwerde gegen die Festsetzung von Karakas zurückgewiesen. Das
Bundesverwaltungsgericht wird möglicherweise in dieser Woche über die
Abschiebung entscheiden.

Hinweis: Meldung frei bei Nennung der Quelle NDR



Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
LFH Niedersachsen
Fernsehredaktion/"Hallo Niedersachsen"
Tel.: 0511/988-2410



http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse

Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell


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