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Studie zur Kluft zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit: Deutsche schätzen soziale Realitäten häufig falsch ein

Geschrieben am 16-01-2019

Hamburg (ots) - Dass die eigene Wahrnehmung oftmals nicht mit der
Realität übereinstimmt, belegt einmal mehr die aktuelle Studie
»Perils of Perception« des Markt- und Meinungsforschungsinstituts
Ipsos. In 37 Ländern schätzten knapp 30.000 Personen aktuelle Zahlen
zur Bevölkerungsstruktur und gesellschaftsrelevanten Themen. Auch
hierzulande werden viele soziale Realitäten von den Bürgern
vollkommen falsch eingeschätzt. Verglichen mit anderen Ländern irren
sich die Deutschen sogar überdurchschnittlich oft.

Migrantenanteil in Deutschland zu hoch geschätzt

Der Anteil von Einwanderern an der Gesamtbevölkerung wird in
Deutschland deutlich zu hoch eingeschätzt. Während der tatsächliche
Wert 15 Prozent beträgt, liegt die durchschnittliche Schätzung der
Befragten doppelt so hoch (30%). In einigen anderen Ländern ist die
Diskrepanz zwischen subjektiver Wahrnehmung und realen Zahlen in
Sachen Migration sogar noch extremer, insbesondere in Lateinamerika.
Ein Extrembeispiel: Obwohl Kolumbien laut offizieller Statistik eine
Einwandererquote von lediglich 0,3 Prozent hat, wird dennoch
vermutet, dass mehr als jeder dritte Einwohner Kolumbiens (34%)
Migrant ist. Ähnlich gravierende Fehlwahrnehmungen zeigen sich in
Peru, Brasilien, Argentinien und Chile.

Anteil an Muslimen stark überschätzt

Während sich also die Schätzungsfehler der Deutschen bei nicht
weiter spezifizierten Einwanderern noch verhältnismäßig in Grenzen
halten, sieht es bei Menschen muslimischen Glaubens schon anders aus.
In der Wahrnehmung der Befragten ist jeder fünfte Bundesbürger (21%)
Muslim. Der tatsächliche Anteil an Muslimen an der Gesamtbevölkerung
entspricht mit lediglich 4 Prozent nicht einmal einem Fünftel des
Schätzwertes. Nur in 7 von insgesamt 37 untersuchten Ländern irren
sich die Menschen in dieser Frage noch stärker.

Deutsche glauben jeder Fünfte ist arbeitslos

Selbst ein in der Öffentlichkeit verhältnismäßig breit
diskutiertes Thema wie die Arbeitslosenquote wird hierzulande fünf
Mal zu hoch eingeschätzt. Schenkt man den Schätzungen der Befragten
Glauben, so würde sich aktuell jeder fünfte Deutsche im
erwerbsfähigen Alter (20%) auf der Suche nach Arbeit befinden. In
Wahrheit ist derzeit nicht einmal jeder zwanzigste Bundesbürger (4%)
arbeitslos. Mit einer Diskrepanz von 16 Prozentpunkten schneiden wir
im internationalen Vergleich sogar recht gut ab. In Mexiko (47%),
Brasilien (47%) und Peru (46%) ist die Differenz deutlich
gravierender.

Einschätzung der Wirtschaftslage nur knapp daneben

Deutlich optimistischer wird die die hiesige Wirtschaftskraft
gesehen. Deutschland wird im Durchschnitt auf Position 9 unter den
200 größten Volkswirtschaften der Welt (nach BIP) eingestuft.
Tatsächlich hat die Bundesrepublik aber sogar das viert größte
Bruttoinlandsprodukt der Welt. Mit einer Differenz von nur 5
Positionen ist die Einschätzung der Deutschen allerdings
vergleichsweise akkurat. Weltweit verschätzen sich die Befragten um
durchschnittlich 42 Positionen, in Argentinien sogar um sage und
schreibe 129 Positionen.

Anteil erneuerbarer Energien wird unterschätzt

Ähnlich realistisch schätzt die Bevölkerung den Anteil
erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch Deutschlands ein.
Im Durchschnitt wird vermutet, dass hierzulande knapp ein Drittel des
Energiebedarfs (29%) aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. In
Wirklichkeit liegt der Prozentsatz mit 36 Prozent sogar noch etwas
höher. Während die Deutschen die Dinge also erneut negativer sehen
als sie tatsächlich sind, wird in den meisten anderen Ländern der
Anteil erneuerbarer Energien tendenziell eher überschätzt.

Sexuelle Potenz junger Menschen wird drastisch überschätzt

Bei der Einschätzung des Sexualverhaltens junger Erwachsener,
liegen die Befragten in ausnahmslos allen untersuchten Ländern
komplett daneben. Hierzulande wird vermutet, dass Frauen und Männer
im Alter zwischen 18 und 29 Jahren durchschnittlich 16 Mal in vier
Wochen Sex haben. Die tatsächliche Häufigkeit liegt mit fünf Mal in
vier Wochen weit unter dem Schätzwert. Global gesehen ist die Kluft
zwischen subjektiver Wahrnehmung und realen Zahlen sogar noch etwas
größer.

Selbst Frauen unterschätzen das Ausmaß sexueller Belästigung

In Deutschland wird das Ausmaß sexueller Belästigung von Frauen
massiv unterschätzt. Sechs von zehn deutschen Frauen (60%) geben an,
seit ihrem 15. Lebensjahr bereits irgendeine Form von sexueller
Belästigung erfahren zu haben. Die Einschätzungen der
Studienteilnehmer liegen deutlich unter diesem Wert (37%). Selbst die
weiblichen Befragten (40%) unterschätzten das tatsächliche Ausmaß.

Deutsche im unteren Drittel des »Irrtumsindex«

Berücksichtigt man alle Fragestellungen der Studie, so
verschätzten sich die Deutschen deutlich häufiger als die Bürger
vieler anderer Nationen. Unter den insgesamt 37 abgefragten Ländern
belegt Deutschland lediglich den 24. Platz, wenn es um die beste
Schätzung geht. Der Wirklichkeit am nächsten kamen die Befragten aus
Hongkong, Neuseeland und Schweden, der unrühmliche Preis für die
Bevölkerung mit der am wenigsten zutreffenden Wahrnehmung geht an
Thailand, dicht gefolgt von Mexiko und der Türkei.

Dr. Robert Grimm, Director Ipsos Public Affairs, deutet die
Studiendaten nicht zuletzt als Folge zunehmend polarisierender
öffentlicher Debatten: »Gerade bei den politisch brisanten Themen wie
Migration und Muslime in Deutschland liegen Wahrnehmung und Realität
weit auseinander. Diese Themen werden häufig in den Medien und in der
Politik diskutiert. Die Diskurse sind dabei überwiegend negativ
konstruiert, es wird polarisierend und emotional über Kontrolle,
Kriminalität und Betrug debattiert. In der menschlichen Wahrnehmung
verstärken sich damit soziale Phänomene zu überdimensionalen
Problemen mit dringendem politischen Handlungsbedarf.

Dass wir die Zahl sexueller Belästigungen so stark unterschätzen
ist ein Indikator der weiterhin mangelnden Aufmerksamkeit für dieses
Problem in unserer Gesellschaft. Einerseits assoziieren wir sexuelle
Belästigung überwiegend mit Frauen. Frauen haben es noch immer
schwer, gegen verbliebene gesellschaftliche Strukturen anzuschwimmen
und frauenspezifische Themen werden oftmals nur geschwächt oder
bagatellisiert in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Andererseits ist
die Unterschätzung sexueller Belästigungen bestimmt auch ein Ausdruck
über die Unsicherheit darüber, was diese eigentlich konstituiert
(besonders auf Seiten der Männer).«

Methode:

Die Ergebnisse stammen aus der Ipsos MORI »Perils of Perception
2018«-Studie, die über das Ipsos Online Panel System durchgeführt
wurde. Die Befragung wurde vom 28. September bis zum 16. Oktober 2018
unter 28.115 Personen im Alter zwischen 16 und 64 Jahren in insgesamt
37 Ländern durchgeführt: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien,
Chile, China, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Hongkong, Indien, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Malaysia,
Mexiko, Montenegro, Neuseeland, Niederlande, Peru, Polen, Rumänien,
Russland, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Serbien, Singapur,
Spanien, Südafrika, Südkorea, Thailand, Türkei, Ungarn und USA. In
Montenegro und Serbien wurden zusätzlich zur Online-Befragung auch
Face-to-Face-Interviews durchgeführt.

Es wurde eine Gewichtung der Daten vorgenommen, um die
demografischen Merkmale auszugleichen und damit sicherzustellen, dass
die Stichprobe die aktuellen offiziellen Strukturdaten der
erwachsenen Bevölkerung eines jeden Landes widerspiegelt. In 21 der
37 untersuchten Ländern ist die Internetdichte groß genug, um die
Stichproben als repräsentativ für die nationale Bevölkerung
anzusehen: Argentinien, Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, Hongkong, Italien, Japan, Kanada,
Neuseeland, Niederlande, Polen, Schweden, Schweiz, Singapur, Spanien,
Südkorea, Ungarn und USA.

Brasilien, Chile, China, Indien, Kolumbien, Malaysia, Mexiko,
Peru, Rumänien, Russland, Saudi Arabien, Serbien, Südafrika, Thailand
und die Türkei haben eine niedrigere Internetdichte; diese
Stichproben sollten nicht als bevölkerungsrepräsentativ angesehen
werden. Sie repräsentieren stattdessen den wohlhabenderen Teil der
Bevölkerung, die aufstrebende Mittelklasse. Diese stellt allerdings
eine wesentliche soziale Gruppe dar, wenn es darum geht, diese Länder
verstehen zu lernen.

Die 'tatsächlichen' Daten wurden aus einer Vielzahl von
verifizierten Quellen für jede Frage und jedes Land entnommen - eine
vollständige Liste der Quellen bzw. Links zu den amtlichen
Statistiken kann bei Bedarf angefordert werden.

Über Ipsos:

Ipsos ist ein unabhängiges und innovatives Markt- und
Meinungsforschungsinstitut. In einer sich immer schneller
verändernden Welt ist es unsere Aufgabe, unsere Kunden mit präzisen
und umsetzbaren Analysen bei ihrer Veränderung zu unterstützen, dabei
orientieren wir uns an den »4S«: Security, Simplicity, Speed und
Substance. Um unseren Kunden bestmöglichen Service zu bieten, haben
wir uns in fünf Forschungsbereichen spezialisiert. So bestimmen
unsere engagierten Forscher Marktpotenziale, zeigen Markttrends,
testen Produkte, Werbung und Dienstleistungen, erforschen die Wirkung
von Medien und geben der öffentlichen Meinung eine Stimme. Und das in
89 Ländern auf allen Kontinenten. In Deutschland beschäftigen wir
über 750 Mitarbeiter in Hamburg, Mölln, München, Nürnberg, Frankfurt
und Berlin.



Pressekontakt:
Ipsos GmbH
Gudrun Witt | Communications
Sachsenstraße 6
20097 Hamburg
040-80096-4179
gudrun.witt@ipsos.com

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