(Registrieren)

Aachener Nachrichten: Kommentar: Gehandelt wird nur unter Druck Dieselfahrverbote zwingen die Politik, mehr für saubere Luft zu tun Von Christian Rein

Geschrieben am 16-11-2018

Aachen (ots) - Nach Hamburg, Berlin, Stuttgart, Frankfurt, Mainz,
Köln, Bonn und Aachen nun auch Essen und Gelsenkirchen: Immer mehr
Städte in Deutschland bekommen gerichtlich attestiert, dass sie zu
wenig für saubere Luft tun. Mit dem jüngsten Urteil gegen die
Luftreinhaltepläne wurde erstmals auch eine Autobahn, die A40 im
Ruhrgebiet, mit einem Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge belegt -
eine neue Dimension, denn damit ist nicht mehr nur eine Hauptstraße
in einer beliebigen Großstadt, sondern eine Hauptverkehrsader in NRW
betroffen.

Die Reaktion der politisch Verantwortlichen auf die Entscheidung
des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen fiel nahezu einmütig aus: Die
schwarz-gelbe Landesregierung in NRW zeigte sich "von der Härte des
Urteils sehr überrascht" und will in Berufung gehen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nannte die Entscheidung
"unverhältnismäßig", die FDP-Fraktion im Bundestag sogar "völlig
unverhältnismäßig". Die SPD verabschiedete als Teil der schwarz-roten
Bundesregierung noch am gleichen Tag neue Vorgaben mit, die
Fahrverbote erschweren sollen, indem sie diese bis zu einer
bestimmten Stickoxid-Belastung einfach für "nicht verhältnismäßig"
erklären, obwohl der Grenzwert überschritten wird.

Die Aussagen lassen eine merkwürdige Auffassung von der deutschen
Gerichtsbarkeit erkennen und ziehen deren Unabhängigkeit in Zweifel.
Damit wird auch das Ansehen des Rechtsstaats beschädigt. Tatsächlich
sind weder das Urteil, das auf Recht und Gesetz basiert, noch die
Grenzwerte, die im Übrigen schon seit Jahren gelten,
"unverhältnismäßig", sondern einzig und allein die Reaktion der
politisch Verantwortlichen. Sie haben viel zu lange weggeschaut und
weder auf kommunaler, noch auf Landes- oder Bundesebene vernünftige
Konzepte entwickelt, die einerseits Mobilität garantieren und
andererseits für saubere Luft sorgen. Dabei handelt es sich im
Übrigen nicht um eine Bagatelle. Jährlich sterben alleine in
Deutschland zehntausende Menschen an den Folgen von Ozon, Stickoxiden
oder Ruß in der Atemluft. Und natürlich geht es dabei auch um
Klimaschutz.

Die Gerichte zwingen die Politik endlich zum Handeln, denn
offensichtlich wird nur unter dem Druck von Urteilen etwas getan.
Warum hat zum Beispiel die Stadt Aachen nicht schon früher ihre
Busflotte auf Elektromobilität umgestellt, wie sie es nun als
Kernstück eines neuen Luftreinhalteplans perspektivisch in Aussicht
stellt? In der Elektromobilitätsstadt Aachen, der Heimat von
Streetscooter und e.GO, ist das beschämend. Und - um in Aachen zu
bleiben: Das Desaster um die abgelehnte Campusbahn fällt der Stadt
heute natürlich auch auf die Füße.

Mobilität in Deutschland bedeutet in erster Linie Auto-Mobilität.
Doch ist die wirklich die sinnvollste Antwort auf die Frage, wie man
möglichst flexibel, schnell und zuverlässig von A nach B kommen kann?
Ein gut funktionierender, pünktlicher und bezahlbarer öffentlicher
Personennahverkehr, ein gut ausgebautes, sicheres Radwegenetz,
Carsharing-Konzepte mit Elektroautos, gut funktionierende
Mitfahrer-Börsen für Pendler - Ideen gibt es längst. Es fehlt am
politischen Willen, diese konsequent zu verfolgen und zu finanzieren.
Statt sich zu überlegen, wie die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen
verringert werden könnte, macht Verkehrsminister Scheuer aus der
Dieselkrise auch noch ein Förderprogramm für die Automobilindustrie.
Absurd!

Eine autofreie Innenstadt ist übrigens durchaus lukrativ: Flaniert
man nicht viel lieber ungestört durch Straßen und Gassen? Wie
angenehm das sein kann, erfährt man zum Beispiel in Maastricht.

Es werden wohl leider noch weitere Urteile folgen müssen, bis in
Deutschland ein Umdenken einsetzt. Für Düren ist ein Verfahren
anhängig, demnächst stehen Gerichtsverhandlungen in Dortmund und
Bochum an, auch in Freiburg hat die Deutsche Umwelthilfe gegen den
Luftreinhalteplan geklagt. Und das sind nur einige Beispiele.



Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-391
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de

Original-Content von: Aachener Nachrichten, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

663335

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Lindenstraßen-Aus Bielefeld (ots) - Ja, die »Lindenstraße« hat Verdienste um die Entwicklung der deutschen TV-Landschaft. Die Serie hat gesellschaftliche Facetten populär unters Fernsehvolk gebracht. Pubertät, politischer Extremismus, Coming-Out, Aids, Wechseljahre, Vegetarismus und Veganismus, Arbeitslosigkeit oder Überschuldung waren einige der Themen, die in einem der letzten TV-Lagerfeuer die Welt nicht so heile aussehen ließen wie in anderen Vorabendserien. Das Sehverhalten des Jahres 2018 ist aber ein anderes als bei der Erstausstrahlung mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Eurobahn Bielefeld (ots) - Bislang haben die Entscheider beim Nahverkehrsverband Westfalen-Lippe nur die Lippen gespitzt. Jetzt wollen sie pfeifen: Nach einer ersten Abmahnung im Februar könnte der Eurobahn tatsächlich der Rauswurf drohen. Das wäre ein bislang einmaliger Vorgang in NRW. Weil er eben nur sehr, sehr schwer umzusetzen ist. Wer aber mit Beteiligten spricht, hört mittlerweile eine andere Tonlage heraus. Das Eurobahn-Desaster will sich niemand mehr länger anschauen. Zu lange hat die Tochter des französischen Keolis-Konzerns mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Unregelmäßigkeiten bei der Hessen-Wahl Bielefeld (ots) - Wenn in weniger demokratisch verfassten Staaten als der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird und es dort zu Unregelmäßigkeiten kommt, sind Politik und Medien schnell bei der Sache, fordern Wahlbeobachter, Neuauszählungen oder Neuwahlen. Was am 28. Oktober bei der Landtagswahl in Hessen passiert ist, spottet jedem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat. In Frankfurt mussten die Ergebnisse in 88 der insgesamt 490 Wahlbezirke korrigiert werden. Die Abweichungen waren eklatant: So kam die CDU in einem Sachsenhausener mehr...

  • Westfalenpost: Keine Strategie, keinen Plan -- Zu den Diesel-Fahrverboten Hagen (ots) - Das Diesel-Fahrverbot auf der A40 hat eine neue Qualität, weil erstmals der Durchgangsverkehr massiv betroffen ist. Zugleich sind derlei Urteile bald Routine. Dortmund und Hagen zittern schon. Man weiß gar nicht, über wen und was man sich am meisten empören soll: Warum solch radikale Eingriffe, obwohl die - seit Jahren zurückgehenden - Stickoxid-Werte keineswegs zu den größeren Gesundheitsbelastungen zählen? Andererseits existieren nun einmal Grenzwerte, und Kommunen, Länder und Bund haben sie über viele Jahre ignoriert. mehr...

  • Badische Zeitung: Merkel in Chemnitz: Spätes Gespräch / Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Doch hätte Angela Merkel nicht viel früher nach Chemnitz fahren müssen, jener Stadt, in der Ende August ein Mann mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen worden war? (...) Man braucht sich nur die "Merkel muss weg"-Demos vom Freitag zu betrachten, um zu ahnen, welcher Krawall im Spätsommer losgebrochen wäre. Die Prognose sei gewagt: Raum für ein vernünftiges Gespräch wäre kaum gewesen. Nun funktionierte zumindest der Austausch von Argumenten zwischen Bürgern und Kanzlerin. http://mehr.bz/sk5wv Pressekontakt: mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht