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Mittelbayerische Zeitung: Löw hat zu viel Macht / Der Bundestrainer macht trotz des Debakels bei der WM weiter. Dass er das selbst entscheiden durfte, ist falsch. Von Jürgen Scharf

Geschrieben am 03-07-2018

Regensburg (ots) - Vielleicht werden in ein paar Jahren die
anderen Fußball-Nationen wieder mit Ehrfurcht über Deutschland reden.
Darüber, dass sie doch selbst auch gerne die Ruhe und das Rückgrat
gehabt hätten, einen Nationaltrainer trotz eines großen Misserfolgs
zu behalten - und mit dem dann wieder Erfolge feiern. Vielleicht
werden sie in ein paar Jahren aber auch spotten und sagen:
Deutschland verliert und verliert - und dennoch bleibt alles beim
Alten. Denn eines ist seit gestern klar: Den deutschen Bundestrainer
Joachim Löw kann nur einer entlassen - Joachim Löw selbst. Und das
ist ein völlig falsches Signal, das der Deutsche Fußball-Bund sendet.
Im Fußball gibt es nichts, das ewig währt. In diesem Sport herrscht
ein ständiges Kommen und Gehen, ein ständiges Reagieren auf
Ergebnisse und Ereignisse. Das Schwierige dabei ist, dass keiner
weiß, wie es gelaufen wäre, wenn er anders entschieden hätte. Ein
Trainer kann sich nach einer Niederlage noch so oft die Frage
stellen, was passiert wäre, wenn er andere Spieler aufgestellt hätte.
Er wird die Antwort nie erfahren. Und weil das alles so schwierig
ist, ist es meistens gut, wenn es eine klare Hierarchie gibt. Wenn
der Klubchef den Sportchef bestimmt, der Sportchef den Trainer
bestimmt, und der Trainer eigenverantwortlich die Spieler aufstellt.
Beim Deutschen Fußball-Bund läuft es anders. Dort hat der
Bundestrainer Joachim Löw nun eine Entscheidung gefällt - über sich
selbst. Die Entscheidung, dass er trotz des blamablen Ausscheidens in
der Vorrunde bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland im Amt
bleibt. Und danach hat er dem Deutschen Fußball-Bund mitgeteilt, dass
er bleibt. Er hat dem Verband, wie dieser gestern allen Ernstes
schriftlich erklärte, "bestätigt, dass er seine Tätigkeit als
Bundestrainer fortsetzen (...) möchte". Das klingt in etwa so, als
wenn der Vorsitzende des FC Hinterholzkofen aus der B-Klasse 5 hofft,
dass der Trainer der ersten Mannschaft bleibt, weil es schwierig
werden könnte, unter den 200 Einwohnern im Dorf einen neuen zu
finden. DFB-Präsident Reinhard Grindel und Teammanager Oliver
Bierhoff haben damit öffentlich zur Schau gestellt, dass sie am
liebsten nur reagieren, nicht aber agieren und regieren wollen. Beim
Warten auf Löws Entscheidung demonstrierten sie - wie bereits in der
Debatte um die Erdogan-Bilder von Mesut Özil und Ilkay Gündogan -
wieder Rat- und Führungslosigkeit. Das Amt des Bundestrainers ist der
zweifellos wichtigste Job beim Deutschen Fußball-Bund. Es ist
unwürdig für einen Verband, der vier Weltmeister- und drei
Europameisterpokale im Schrank hat, wenn er bei der Besetzung dieses
Postens das Heft des Handelns völlig aus der Hand gibt. Löw hat sich
durch seine erfolgreiche Arbeit zu Recht eine überaus komfortable
Position im innerbetrieblichen Gefüge des DFB erarbeitet. Völlig
autark über seinen Posten entscheiden zu dürfen, ist wirklich zu viel
des Guten. Das nächste Mal abgerechnet wird nun in zwei Jahren nach
der EM. Es kann mit Löw übrigens durchaus klappen, wieder erfolgreich
zu sein. In erster Linie, so viel steht fest, müssen sich wegen der
Pleite in Russland die Spieler hinterfragen. Wenn sie wirklich einen
Coach der Marke harter Hund brauchen, damit sie in die Gänge kommen,
sind sie fehl am Platz. Wenn sie ihre Leistung in Russland dagegen
selbstkritisch überprüfen, könnte der besonnene Löw genau der
Richtige sein, um das zweifellos vorhandene Potenzial demnächst
wieder vollständig abzurufen. Es kann derzeit auf jeden Fall keiner
das Gegenteil beweisen. Und wenn Deutschland in zwei Jahren
Europameister wird - unmöglich ist das übrigens nicht -, darf sich
der Verband zu Recht dafür feiern lassen, die Ruhe bewahrt und an dem
zweifellos tollen Typen Löw festgehalten zu haben. Wenn es aber
wieder schief geht, dann... ja, was dann eigentlich? Wieder nur Jogi
fragen?



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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