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Wahlen in Mexiko: Verbrechen gegen Journalisten endlich konsequent verfolgen

Geschrieben am 28-06-2018

Berlin (ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert das Klima
der Gewalt und der Einschüchterung gegenüber Journalisten, das vor
der Präsidentschaftswahl am Sonntag (01.07.) in Mexiko herrscht.
Zwischen Januar und Mai 2018 wurden 45 Journalisten in Zusammenhang
mit ihrer Wahlberichterstattung angegriffen, fünf Medienschaffende
kamen gewaltsam ums Leben. Seit dem Jahr 2000 wurden in Mexiko mehr
als 100 Journalisten aufgrund ihrer Arbeit getötet. Nur in einem
Bruchteil der Fälle werden die Mörder gefasst und verurteilt.

"Wir fordern die künftige mexikanische Regierung auf, Verbrechen
gegen Journalisten endlich konsequent zu verfolgen", sagte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die Kultur der Straflosigkeit
führt dazu, dass die Täter sich zu immer neuen Verbrechen gegen
Journalisten ermutigt fühlen. Pressefreiheit ist nur gewährleistet,
wenn Journalisten in Sicherheit und ohne Angst vor Gewalt arbeiten
können."

In ihrem gemeinsamen Projekt Press Alert / Alerta Prensa
(http://ogy.de/qary, nur auf Spanisch) dokumentieren ROG und die
mexikanische Organisation Propuesta Cívica seit Januar und noch bis
September alle Angriffe auf Journalisten in Zusammenhang mit den
Wahlen, bei denen neben dem Präsidenten mehr als 3.400 Abgeordnete,
Bürgermeister und Gouverneure im ganzen Land neu bestimmt werden. Zu
den 45 registrierten Attacken zählten vor allem Bedrohungen,
körperliche Angriffe, Verleumdungskampagnen und Fälle gerichtlicher
Schikane. Die meisten dieser Aggressionen gingen von Kandidaten oder
deren Mitarbeitern und Unterstützern aus.

Bedingt durch die in Mexiko allgegenwärtige Korruption gerade im
Lokalen, wo viele Behördenvertreter direkte Verbindungen zu
Verbrecherkartellen haben, werden Gewalttaten und Morde an
Journalisten kaum geahndet. Zwischen 2010 und 2017 gingen bei der
Sonderstaatsanwaltschaft 798 Anzeigen über schwere Gewalttaten gegen
Journalisten ein, darunter 47 wegen Morden. Nur in drei Fällen wurden
die Täter verurteilt und bestraft. Im Mai 2017 kündigte der
scheidende Staatspräsident Enrique Peña Nieto an, die Morde zu
verfolgen und Journalisten künftig besser zu schützen
(http://ogy.de/nr0o).

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Mit mindestens elf Morden
war Mexiko 2017 für Journalisten das gefährlichste Land der Welt, in
dem kein bewaffneter Konflikt herrschte. In den ersten fünf Monaten
dieses Jahres wurden erneut fünf Journalisten getötet, davon drei
allein in der zweiten Mai-Hälfte. Am 15. Mai wurde der prominente TV-
und Radio-Journalist Juan Carlos Huerta Martínez in Villahermosa in
seinem Auto erschossen (http://ogy.de/w9ea). Die freie
Wirtschaftsjournalistin Alicia Díaz González wurde am 24. Mai in
Monterrey von ihrem Sohn tot in ihrem Haus aufgefunden
(http://ogy.de/14iy). Fünf Tage später wurde der Lokalkorrespondent
Héctor González Antonio in Ciudad Victoria zu Tode geprügelt
(http://ogy.de/zimu). Zuvor waren am 15. Januar der Reporter und
Kolumnist Carlos Domínguez Rodríguez (http://ogy.de/phw7) sowie am
21. März der Online-Journalist Leobardo Vázquez (http://ogy.de/azgu)
getötet worden.

Die bestehenden staatlichen Programme zum Schutz von Journalisten
funktionieren kaum und sind schlecht ausgestattet. Bei ihrem Besuch
in Mexiko im Juni 2017 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Hilfe
angeboten, um den Schutz von Journalisten zu gewährleisten
(http://ogy.de/rhil).

Um dem in vielen Ländern stagnierenden Kampf gegen Straflosigkeit
für Gewaltverbrechen an Journalisten neue Impulse zu geben, setzt
sich ROG für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den
Schutz von Journalisten ein (http://ogy.de/p2q8). Er sollte direkt
dem UN-Generalsekretär unterstehen und die Befugnis zu eigenständigen
Untersuchungen haben, wenn Staaten nach Gewalttaten gegen
Journalisten nicht ermitteln.

Weiter erschwert wird die Arbeit der Journalisten in Mexiko durch
ihre prekären Arbeitsverhältnisse. Mexikos Medien werden weitgehend
von einigen der reichsten Unternehmer der Welt kontrolliert, und
obwohl die Branche boomt, werden viele Journalisten so schlecht
bezahlt, dass sie kaum von ihrer Arbeit leben können und umso
schutzloser gegen Druck von allen Seiten sind. Die ungezügelte
Medienkonzentration ist auch eine Folge fehlgeschlagener staatlicher
Regulierung. Das zeigen die Ergebnisse des Media Ownership Monitor
Mexiko, die ROG und die mexikanische Nichtregierungsorganisation
Cencos im März vorgestellt haben (mexico.mom-rsf.org).

Die politischen Verbindungen der mexikanischen Medienbesitzer sind
selten auf den ersten Blick ersichtlich, aber dennoch nicht zu
leugnen: Die meisten der im MOM-Projekt untersuchten Medien werden
bei der Verteilung der enormen Werbebudgets der Regierung abgestraft
oder belohnt. Dass staatliche Gelder völlig intransparent verteilt
werden, schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten, fördert Selbstzensur
und bedroht damit unmittelbar den Medienpluralismus. Am 18. April
verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das eine faire und
transparente Verteilung der Werbegelder der Regierung regeln sollte.
ROG (http://ogy.de/hica) und andere NGOs, Medien sowie das
UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (http://ogy.de/07hj)
kritisieren es jedoch als ineffektiv (http://ogy.de/16fj).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mexiko auf Platz 147
von 180 Staaten. Mehr zur Lage der Pressefreiheit im Land finden Sie
unter: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mexiko/.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:

- Interview mit unserer Mexiko-Korrespondentin Balbina Flores:
http://ogy.de/tmq3

- Mexiko-Länderbericht über das Ausmaß von Gewalt und Repression
gegen Journalisten: http://ogy.de/67po



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

Original-Content von: Reporter ohne Grenzen e.V., übermittelt durch news aktuell


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