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Mittelbayerische Zeitung: Merkels Endspiel / Bereits vor dem Brüsseler Asyl-Treffen hatte Angela Merkel die Hoffnungen gedämpft. Doch mit Formelkompromissen wird sie die CSU nicht besänftigen können.

Geschrieben am 24-06-2018

Regensburg (ots) - Es ist nicht zu erwarten, dass Angela Merkel -
ähnlich wie Toni Kroos im dramatischen WM-Spiel gegen Schweden - in
in der Verlängerung noch den Siegtreffen gegen die angriffslustige
und unerbittliche CSU erzielen kann. Das gestrige Treffen der
zumindest Merkel-geneigten unter den EU-Regierungschefs in Brüssel
hat, wie erwartet, keine substanziellen Lösungen, keine bilateralen
Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen erbracht. Bereits vor dem
Treffen hatte Merkel die Hoffnungen gedämpft. Es handele sich
lediglich um ein informelles Arbeitstreffen, einen ersten Austausch
ohne Abschlusserklärung, stapelte Merkel tief. Doch mit dürftigen
Formelkompromissen, etwa wolkig in Aussicht gestellten bi- und
trilateralen Rücknahmevereinbarungen, wird die Kanzlerin die CSU
nicht besänftigen können. Angel Merkel steht in den nächsten Tagen
ein äußerst schwieriges Endspiel bevor. Der Ausgang ist völlig
ungewiss. Kunstvolle Freistöße ins Tor sind in der Politik höchst
selten. Dabei geht es um sehr viel. Nicht nur um die relativ kleine,
eher grenzpolizeilich relevante Frage, ob bereits in anderen
EU-Ländern registrierte Flüchtlingen an der deutschen Grenze
abgewiesen werden können. Zurückweisungen an der
bayerisch-österreichischen Grenze gibt es längst, ohne dass Seehofer
sie extra anordnen müsste oder dass Merkel sie unterbinden könnte.
Inzwischen geht es um viel größere Beträge. Es geht um den Bestand
der Bundesregierung, um Merkels Kanzlerschaft, um das Schicksal der
sieben Jahrzehnte währenden politischen Union aus CDU und CSU. Es
geht zugleich um die politische Stabilität des größten Landes in
einer fragilen Europäischen Union. Und es geht, weltpolitisch
betrachtet, um ein Gegengewicht zur Politik der Trump, Erdogan oder
Putin, die bereit sind, für enge nationale und eigensüchtige
Interessen den Multilateralismus, internationales Recht und
internationale Organisationen in die Tonne zu treten. In der
CSU-Spitze freilich wird derzeit eine Art Scheuklappen-Politik
betrieben. Söder, Seehofer, Dobrindt und Co. schauen, ohne nach
rechts oder links zu blicken, nur noch auf den 14. Oktober, den Tag
einer - historischen - Landtagswahl im Freistaat. Ginge die Mehrheit
der CSU im nächsten Landtag flöten, wäre das offenbar schlimmer, als
wenn der weiß-blaue Himmel über Bayern einstürzen würde. Dabei sind
Verluste oder Zugewinne bei Wahlen eine demokratische Normalität. Die
seit 1962 bestehende absolute Mehrheit der Christsozialen war
übrigens bereits vor zehn Jahren einmal verloren gegangen. In den
folgenden fünf Jahren einer vom Wähler erzwungenen CSU-FDP-Regierung
unter dem Ministerpräsidenten Horst Seehofer ist Bayern nicht
abgestürzt, sondern hat sich weiter kraftvoll entwickelt. Die Furcht
vor dem Verlust der absoluten Mehrheit nimmt in der CSU schon fast
panische Züge an. Im übrigen Deutschland sind Wechsel in den
Landesregierungen keine schlimmen Ausnahmen, sondern fast die Regel.
So ist Politik, wenn der freie Wählerwille entscheidet. Eine
gesamteuropäische Regelung, wie mit Flüchtlingen und Asylsuchenden
umzugehen ist, ist vor allem deshalb so schwierig, weil die
nationalen und politischen Interessen der Mitglieder so weit
auseinandergehen. Die Brüsseler Gemeinschaft ist dabei längst kein
Club der Merkel-Fans mehr. Und spätestens seit Merkel im Spätsommer
2015 hunderttausende Flüchtlinge unkontrolliert nach Deutschland
einreisen ließ, ist die Reihe ihre fundamentalen Kritiker stark
angewachsen. Sie reicht von Budapest, Warschau, Bratislava, Prag bis
inzwischen auch nach Wien und Rom.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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