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Steuerbetrug der Autokonzerne durch falsche CO2-Angaben liegt bei über 10 Milliarden Euro - Verkehrsminister Scheuer muss behördliche Kontrollen anordnen

Geschrieben am 21-03-2018

Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe warnte bereits 2009 anlässlich
der Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Emissionsangaben vor falschen
Angaben der Hersteller - Seit zehn Jahren ignorieren
Kraftfahrt-Bundesamt und Bundesverkehrsministerium die Forderung der
DUH nach unabhängigen behördlichen Nachmessungen und Aufdeckung
betrügerischer Abschalteinrichtungen auch bei den
Spritverbrauchsangaben - Trotz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen
und eines von der DUH erwirkten Urteils des Verwaltungsgerichts
Berlin setzt das Bundesverkehrsministerium seine konspirative
Kooperation zur Vertuschung des CO2-Betrugs bei VW fort - DUH wird im
Rahmen der Untersuchungen seines Emissions-Kontroll-Instituts in 2018
verstärkt nach Betrugssoftware in der Motorsteuerung suchen

Nicht nur bei der Angabe der Stickoxid (NOx)-Emissionen, sondern
auch bei der Ermittlung von Spritverbrauch und damit der
CO2-Emissionen von Pkw wird von vielen Autoherstellern betrogen.
Während die Abweichung zwischen amtlichen Verbrauchsangaben zum
Realverbrauch vor 17 Jahren ganze neun Prozent betrug, liegt diese im
Durchschnitt bei mittlerweile 42 Prozent. Und dies bei
gleichgebliebenen Prüfvorschriften. Durch die immer dreistere
Spritlüge entgingen dem Bundesfinanzministerium seit Umstellung der
Kfz-Steuer auf die CO2-Emissionsangaben im Jahr 2009 über zehn
Milliarden Euro Kfz-Steuer.

Allein für 2017 rechnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit
Steuer-Mindereinnahmen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Die letzten
drei Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Peter Ramsauer und
Alexander Dobrindt weigerten sich, die nach einer EU-Verordnung
zwingend vorgesehenen behördlichen Nachprüfungen anzuordnen. Damit
nicht genug: Trotz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und eines
von der DUH erwirkten Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin (VG 2 K
236.16) setzt das Bundesverkehrsministerium seine konspirative
Kooperation zur Vertuschung des CO2-Betrugs bei VW fort. Anstatt die
knapp eine Million geschädigten Autohalter ehrlich zu informieren und
die den Behörden vorliegenden VW-Dokumente - wie vom VG Berlin im
Dezember 2017 in einer Klage der DUH gegen das BMVI angeordnet - zu
veröffentlichen, ist das Ministerium in Berufung gegangen.

Die DUH fordert den neuen Bundesverkehrsminister Andreas Franz
Scheuer auf, die seit zehn Jahren bestehende Kumpanei mit notorischen
Gesetzesbrechern endlich einzustellen und die Kontroll-Verweigerung
seiner Vorgänger zu beenden. Die Bundesregierung ist laut EU-Recht
verpflichtet, die CO2-Emissionsangaben der Hersteller zu
kontrollieren, festgestellten Betrug zu veröffentlichen und die von
der EU vorgeschriebenen "angemessenen und abschreckenden" Geldstrafen
anzuordnen.

Dass es auch anders geht, beweisen die USA, wo die mit der DUH
kooperierende Verbraucherschutzorganisation "Consumer Watchdog" vor
zehn Jahren einen Betrug bei den Falschangaben hunderttausender
Kia-/Hyundai-Modelle aufdeckte und fortan behördliche Kontrollen der
Spritverbrauchs- und damit der CO2-Angaben durchsetzte. Heute beträgt
die Differenz zwischen Norm- zu Realverbrauch in den USA dank
stichprobenhafter Kontrollen der Umweltbehörde EPA nur drei Prozent.

"Die behördliche Nichtkontrolle führt in Deutschland dazu, dass
die Automobilhersteller ihre Innovationskraft auf
Softwaremanipulationen und immer dreistere Falschangaben bei den
Emissionen verlegen und darauf verzichten, wirklich wirksame
Spritspartechnik zu verbauen. Es ist ein Skandal, wenn das
Bundesverkehrsministerium trotz Kenntnis dieses Betruges am
Klimaschutz und am Geldbeutel des Autohalters aktiv wegschaut und
damit Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe in Kauf nimmt. Wir
fordern den neuen Verkehrsminister Scheuer auf, mit dieser Kumpanei
zu brechen und unabhängige behördliche Kontrollen einzuführen. Dies
schließt auch Transparenz ein: Alle gefundenen Abschalteinrichtungen
- zu NOx ebenso wie zu CO2 - müssen veröffentlicht und Verstöße
wirkungsvoll sanktioniert werden. Scheuer muss dem Betrug der
Autokonzerne endlich ein Ende bereiten - nicht nur beim Stickoxid,
sondern auch beim Spritverbrauch und damit klimaschädlichem CO2",
sagt Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH.

Deutschland ist aktuell weit davon entfernt, die international
sowie national verbindlichen Klimaschutzziele zu erreichen. Im
Verkehrssektor steigen die CO2-Emissionen seit 1990 sogar an, statt
wie insgesamt als Ziel vorgesehen um 40 Prozent zu sinken. Die
Nichtkontrolle führt wie bei den NOx-Betrügereien auch bei CO2 zu
einer fatalen Fehlsteuerung. Seit zehn Jahren sind die realen
CO2-Emissionen der Neufahrzeuge deutlich langsamer gesunken als die
Herstellerangaben. Grund dafür ist auch die verstärkte Werbung für
Stadtgeländewagen und Kleinlaster. Von 2010 bis 2017 hat sich die
Zahl an neuzugelassenen SUVs und Geländewagen mehr als verdoppelt.

"Den gesetzlich vorgeschriebenen CO2-Flottengrenzwert von 95 g/km
bis 2021 nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Realität
einzuhalten, wird nur durch konsequente Kontrollen gelingen. Wir
erwarten von Scheuer, sich dabei von den Plänen seines Vorgängers zu
verabschieden, diese Kontrollen ausgerechnet vom Staat an eine von
den Autokonzernen finanzierte Prüfinstitution auszulagern", so Metz
weiter.

"Die Wahrheit liegt auf der Straße, nicht im Labor", betont Axel
Friedrich, Internationaler Verkehrsberater. "Die Hersteller nutzen
'halblegale und illegale' Umgehungsmaßnahmen, um die CO2-Werte im
Prüflabor zu 'schönen'. Um diese Praxis zu beenden, müssen die
CO2-Werte, ebenso wie die Schadstoffemissionen, auf der Straße
ermittelt werden." Noch immer sind die CO2-Werte aus dem
VW-Untersuchungsbericht von 2016 nicht veröffentlicht. "Diese Daten
müssen endlich auf den Tisch", fordert Friedrich.

Die Autohersteller sorgen mit den falschen Spritangaben nicht nur
dafür, dass der CO2-Flottengrenzwert auf dem Papier eingehalten wird
- sie verschaffen sich auch enorme Wettbewerbsvorteile: Durch niedrig
angegebene Verbrauchswerte erscheint das Neufahrzeug attraktiver,
sowohl was die Tankkosten als auch die Kfz-Steuer angeht. Nicht
umsonst boomen derzeit Spritschlucker in Deutschland.

Eine am 10. März 2018 veröffentlichte Studie des Forum
Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag der Grünen im
Europaparlament zu Steuerausfällen in Europa aufgrund falscher
CO2-Angaben ("Loss of revenues in passenger car taxation due to
incorrect CO2 values in 11 EU states") bestätigt die Warnungen der
DUH seit 2009: Die Ergebnisse verdeutlichen, wie viel Geld den
europäischen Staaten durch falsche Angaben bei der Kfz-Zulassung
entgeht. Der Verlust in den Jahren von 2010 bis 2016 wird auf
insgesamt mindestens 46 Milliarden Euro beziffert.

"Es ist schon erstaunlich, dass die Bundesregierung seit
Umstellung der Kfz-Steuer auf ungeprüfte CO2-Angaben der
Neuwagenhersteller alle Hinweise auf Steuerbetrug ignoriert und die
erste entsprechende Untersuchung aus dem Europaparlament kommt. Wir
brauchen ein Ende des Steuerbetruges. Ehrliche CO2-Angaben führen zu
emissionsärmeren Fahrzeugen - das ist gut für den Verbraucher, die
saubere Stadt und schließlich für den Klimaschutz", so Metz weiter.

Hintergrund:

Erstmals im Herbst 2007 wies die DUH im Rahmen einer
Pressekonferenz zur Eröffnung der IAA detailliert auf den Betrug bei
falschen Emissionsangaben der Hersteller hin und forderte behördliche
Kontrollen. In den Folgejahren dokumentierte die DUH die zunehmenden
Abweichungen bei den CO2-Angaben der Neufahrzeuge, wies auf die immer
dreisteren Betrügereien beim Zustandekommen hin und führte
Emissionsmessungen an bestimmten Fahrzeugen durch. Die von der DUH
von den Herstellern geforderten unabhängigen Kontrollen der
CO2-Angaben werden bis heute vom Kraftfahrt-Bundesamt verweigert.

Die DUH setzt sich seit vielen Jahren für ehrliche Spritangaben
ein. Die derzeitige Kampagne "Get Real - Für ehrliche Spritangaben!"
wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert.

Links:
Übersicht Steuer-Mindereinnahmen durch CO2-Betrug von 2009-2017:
http://l.duh.de/p180321b
Tabelle mit Entwicklung Real- zu Normverbräuchen:
http://l.duh.de/p180321b
Tabelle mit Abweichung Real- zu Normverbräuchen:
http://l.duh.de/p180321b
Hintergrundpapier: http://l.duh.de/p180321b
DUH-Pressemitteilung zum Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts:
http://l.duh.de/pm171220
Kampagnenwebseite: http://www.get-real.org
Informationen zum Thema Spritverbrauch:
https://www.duh.de/projekte/die-spritluege/



Pressekontakt:
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin DUH
0170 7686923, metz@duh.de

Dr. Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte
0152 29483857, axel.friedrich.berlin@gmail.com

DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell


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