(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: "Hartes Brett Europa" / Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zum EU-Gipfel

Geschrieben am 22-02-2018

Regensburg (ots) - Als der große Soziologe Max Weber vor über 100
Jahren das Wort prägte, Politik sei ein starkes langsames Bohren von
harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß, da konnte er von einer
EU mit 28 Mitgliedsstaaten - bald sind es nur noch 27 - nicht einmal
träumen. Dabei war und ist die europäische Einigung die wichtigste
Antwort auf zwei verheerende Weltkriege, die den alten Kontinent in
Schutt und Asche legten und Millionen Menschen das Leben kosteten.
Die Europäische Union wurde nach dem Ende des Kalten Krieges zum
Anziehungspunkt und Vorbild für viele ehemalige Ostblockstaaten. Doch
das alles ist freilich Geschichte. Die EU steht heute vor ganz
anderen Herausforderungen. Einige Probleme sind hausgemacht und nicht
neu, andere brechen im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung,
von Terrorbekämpfung und kriegerischen Konflikten über die Union der
Europäer geradezu herein. Die Noch-nicht-wieder-Kanzlerin Angela
Merkel hat gestern in ihrer Regierungserklärung zwei Sätze
wiederholt, die sie bereits oft gesagt hat. Beide sind dennoch
hochaktuell. Erstens die Welt warte nicht. Weder auf die EU, der es
verdammt schwerfällt sich auf eine einheitliche Linie in vielen
Politikbereichen zu verständigen. Noch auf Deutschland, das sich
verdammt schwer damit tut, eine neue Regierung zu installieren. Dabei
braucht es auch politische Führung aus Deutschland, damit nicht
Egoismus, Populismus und Nationalismus in Europa weiter um sich
greifen. Die Europa-Politik bleibt ein äußerst hartes Brett, auch
wenn sie in der deutschen Öffentlichkeit beinahe zum Randthema
geworden ist. Und zweitens mahnte Merkel zu Recht an, dass es
europäische Antworten auf die Probleme von Gegenwart und Zukunft
brauche. Verantwortungsvolle Politik mit und für die Menschen kann
auf Dauer nicht in nationalen Alleingängen, nicht in Abschottung a la
Amerika first von Donald Trump bestehen. Aber auch diktatorische
Einparteiensysteme a la China oder Russland vermögen auf lange Sicht
nicht, nachhaltige Antworten auf die globalen Probleme zu liefern.
Allerdings muss man auch zugeben, dass die auf Werten, wie den
allgemeinen Menschenrechten, auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit,
fußende EU noch nie so infrage gestellt wurde wie derzeit. Ob sich
das west-europäische Staatsmodell in diesem neuen "Wettbewerb der
Systeme" behaupten kann, ist keine einfache, sich selbst
beantwortende Frage. Geschichte ist bekanntlich offen. Angela Merkel
hat gestern, zum wiederholten Mal, einen Aufbruch für Europa
verlangt. Dabei wird der alte Kontinent besonders heftig von den
Flüchtlingensströmen herausgefordert, die in die EU kommen, weil
diese Menschen sich hier Schutz vor Krieg, Armut, Hunger und
Verfolgung - kurz ein besseres Leben - erhoffen. Doch schon bei der
Frage, wer nimmt wie viele Kriegsflüchtlinge auf, zerplatzt das
schöne Bild des solidarischen Europa wie eine Seifenblase.
Regierungen in Warschau, Budapest, Bratislava oder Prag und
Kopenhagen wehren sich mit Händen und Füßen gegen festgelegte
Kontingente. Dass Merkel diesen Partnern nun indirekt androhte, dass
ihre Verweigerung Konsequenzen für die Hilfen aus Brüssel haben
müsse, ist richtig. Es bleibt allerdings ein sehr hartes Brett zu
bohren. Und dass sich Europa mehr um die Menschen kümmern müsse, ist
eigentlich eine Binsenweisheit. Dennoch gelten vielen Menschen die EU
und besonders Brüssel als Inbegriffe für grenzenlose Verschwendung
und wuchernde Bürokratie - und das auch noch mit unserem Geld. Die
Kritik an der Super-Behörde EU und dem schwerfälligen EU-Parlament
ist richtig. Aber sie muss konkret dort angebracht werden, wo sie
hingehört. Im allgemeinen Verriss der Europäischen Union geht leicht
unter, wie segensreich diese Gemeinschaft für Deutschland, für alle
Mitgliedsländer ist. Mit dem nächsten "Finanzrahmen", was furchtbar
technisch klingt, stellen die Regierungschefs jetzt die Weichen für
die nächsten Jahre der bald nur noch 27er Gemeinschaft. In diesem
beinhart geführten Prozess braucht es eine starke Stimme Berlins.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

627095

weitere Artikel:
  • Yvonne Magwas ist neue Vorsitzende der Gruppe der Frauen Berlin (ots) - Die Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am heutigen Donnerstag Yvonne Magwas zu ihrer neuen Vorsitzenden und Anja Weisgerber zu ihrer Stellvertreterin gewählt. Dazu erklärt Yvonne Magwas: "Als neue Vorsitzende freue ich mich sehr, dass uns im Vorstand der Gruppe der Frauen eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Abgeordneten gelungen ist. Das gute Wahlergebnis verstehen wir als Auftrag, gemeinsam mit allen Kolleginnen auf die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre aufzubauen und neue Akzente mehr...

  • Frankfurter Rundschau: Absurd Frankfurt (ots) - Absurd, absurder, Trump: Nach dem Schulmassaker in Florida will der US-Präsident Lehrer bewaffnen. Reicht das? Geht es nicht noch absurder? Müsste man nicht auch die Schüler bewaffnen - und mit dem Schießtraining so früh wie möglich beginnen, also sobald der Nachwuchs in der Lage ist, ein Gewehr zu halten? Es ist dann nicht mehr weit bis zu dem Vorschlag, der kürzlich auf der Satire-Seite Postillon zu lesen war: Verbieten wir nicht Waffen, sondern Schulen. Das ist pechschwarzer Humor. Aber vielleicht hilft er, mehr...

  • Rheinische Post: Jan Böhmermann fühlt sich in Erdogan-Affäre vom Staat im Stich gelassen Düsseldorf (ots) - TV-Satiriker Jan Böhmermann fühlt sich in der Affäre um sein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vom Staat alleine gelassen. Das sagte der 37-Jährige der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Onlineausgabe). "Staatliche Akteure müssen die Grundrechte der Bürger schützen", sagte Böhmermann. "Wenn es den Menschen selbst überlassen ist, sich vor Feinden der Meinungsfreiheit zu schützen, muss man den Staat in Frage stellen." Böhmermann hatte im März 2016 ein beleidigendes Gedicht mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Bundeswehr entfernt "Stalag"-Schild aus Camp in Afghanistan Bielefeld (ots) - Bielefeld. Die Bundeswehr hat das Schild mit dem umstrittenen Schriftzug "Stalag 13", das sich offenbar lange Zeit auf dem Gelände eines Militärcamps in Masar-e-Sharif (Afghanistan) befand, abgebaut. "Sofort nach Bekanntwerden des Sachverhaltes sind durch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr Maßnahmen im Deutschen Einsatzkontingent ,Resolute Support' eingeleitet worden", sagt ein Sprecher des Einsatzkommandos auf Anfrage der in Bielefeld erscheinenden Tageszeitung Neue Westfälische (Freitagausgabe). "Das mehr...

  • Straubinger Tagblatt: Syrien - Angst vor der Flüchtlingswelle Straubing (ots) - Angela Merkels Ankündigung im Bundestag, alles zu tun, "damit diese Massaker ein Ende finden", wird nichts ändern. Die Hilflosigkeit des Westens ist offensichtlich. Hinzu kommt die Angst vor einem neuen Exodus, einer neuen Flüchtlingswelle, die wieder über Europa rollen könnte. Das erklärt denn auch die hektischen Bemühungen der Kanzlerin und ihres Noch-Außenministers, dem Roten Kreuz zehn Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung zu stellen und auf allen diplomatischen Kanälen dafür zu sorgen, dass die Hilfsorganisationen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht