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junge Welt: Kalter Handelskrieg. Kommentar zu den deutschen Exportüberschüssen von Jörg Kronauer

Geschrieben am 21-02-2018

Berlin (ots) - Das kann noch Ärger geben. Da beschwert sich die
halbe Welt seit Jahren über die exzessiven deutschen
Exportüberschüsse - und das völlig zu Recht: Schließlich treiben sie
zahlreiche Länder von Griechenland über Italien bis Frankreich immer
tiefer in die Verschuldung. Was aber zeigen nun die jüngsten Zahlen,
die das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlicht hat? Die
deutschen Exportüberschüsse haben auch im Jahr 2017 exorbitante Höhen
erreicht. Frankreich etwa hat 41 Milliarden Euro mehr an deutsche
Firmen gezahlt, als seine Unternehmen aus Verkäufen nach Deutschland
verdienen konnten; die Agenda 2010, Lohnverzicht und Hartz IV haben
die Preise deutscher Produkte effizient gedrückt und lassen bis heute
Konzernkassen in der Bundesrepublik klingeln, Konzernkassen der
ausländischen Konkurrenz hingegen eher darben. Ein Beitrag zur Lösung
der europäischen Schuldenkrise ist das nicht.

Nun könnte man einwenden: Frankreich hat es längst aufgegeben,
sich ernsthaft gegen die Berliner Exportoffensiven aufzulehnen, und
versucht sich an einer Art eigener Agenda 2010 - so what? Nun, Paris
mag resigniert haben, Washington hat es nicht. Das US-Handelsdefizit
gegenüber Deutschland, das im Jahr 2000 noch bei weniger als 15
Milliarden Euro lag, hat 2017 mit rund 50,5 Milliarden Euro einen
seiner höchsten Werte erzielt. US-Präsident Donald Trump hat oft
genug angekündigt, auf die deutsche Exportoffensive, die schon die
Obama-Administration immer wieder kritisiert hatte, zu reagieren -
mit Strafzöllen zum Beispiel. In der klaren Erkenntnis, dass die
neuen Zahlen Ärger geben, haben deutsche Medien schon vorab gemeldet,
die EU bereite Gegenmaßnahmen auf etwaige US-Restriktionen vor,
nämlich eigene Strafzölle zum Beispiel auf Harley Davidsons oder auf
US-Whisky. Man wird sehen, ob und wann Trump den Fehdehandschuh
aufgreift.

Abgesehen von der Einsicht, dass Deutschland weiterhin die
Euro-Schuldenkrise befeuert, und von einer Vorahnung auf den
transatlantischen Handelskrieg bieten die jüngsten Daten vor allem
eines: die Erkenntnis, dass China seine Stellung als wichtigster
Außenhandelspartner deutscher Firmen weiterhin ausbaut; sie lag 2017
mit einem Handelsvolumen von 186,6 Milliarden Euro weit vorn. War die
Volksrepublik lange Zeit vor allem als Herkunftsland für deutsche
Importe von höchster Bedeutung, so wird sie auch als Absatzmarkt
immer wichtiger, hat 2017 erstmals Großbritannien und die Niederlande
überholt und liegt unter den Zielmärkten deutscher Exporteure jetzt
auf Platz drei. Stellt man zusätzlich die rasant wachsenden deutschen
Investitionen in China in Rechnung, dann ist klar: Die deutsche
Wirtschaft ist auf gute Beziehungen zur Volksrepublik ganz einfach
angewiesen. Sollte es tatsächlich einmal zu dem ernsthaften
politischen Crash mit Beijing kommen, der sich gelegentlich
abzeichnet, dann müsste man sagen: Gegen die Erschütterungen, die
dann drohen, sind die Folgen der Russland-Sanktionen ein müder Witz.



Pressekontakt:
junge Welt
Redaktion
Telefon: 030 / 53 63 55-0
redaktion@jungewelt.de

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