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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zum boomenden Arbeitsmarkt, Autor: Reinhard Zweigler

Geschrieben am 03-01-2018

Regensburg (ots) - Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe
von guten Tagen, meinte einst Dichterfürst Johann Wolfgang von
Goethe. Die guten Zahlen der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit
weisen sogar bereits seit einigen Jahren boomende Beschäftigung auf
der einen und immer weiter sinkende Arbeitslosigkeit auf der anderen
Seite aus. Das ist zuerst ein Anlass für Freude und Zuversicht, weil
die Konjunktur in Deutschland seit der dramatischen Finanzkrise vor
knapp zehn Jahren bereits zum neunten Mal in Folge zulegt. Eine solch
lange Wachstumsphase erinnert an die Zeiten des deutschen
Wirtschaftswunders in den Wiederaufbau-Jahren. Allerdings können die
guten Arbeitsmarktzahlen aus Nürnberg auch sorglos machen, die
trügerische Hoffnung nähren, es ginge nun einfach immer so weiter.
Doch dem ist nicht so. Der Rückenwind der guten Beschäftigungslage
sollte deshalb Ansporn und Herausforderung für Union und SPD sein,
endlich eine vernünftige, beschäftigungsorientierte Bundesregierung
hinzubekommen. Doch derzeit scheint es, als spielten zentrale Themen,
wie Wachstum und Beschäftigung, Globalisierung und Digitalisierung,
Bildung und Innovation bei den Treffen der möglichen
Regierungspartner nur eine untergeordnete Rolle. Welch ein
Trugschluss! Dass der Jobmotor derzeit so relativ gut läuft, hat
zudem weniger mit der Politik der jetzigen geschäftsführenden Groko
zu tun, die Wachstum zumindest nicht all zu sehr verhindert hat,
sondern mehr mit dem günstigen internationalen Umfeld. Mit der nach
wie vor vorhandenen Export- und Wettbewerbsstärke vieler deutscher
Unternehmen, mit dem anziehenden Binnenkonsum in Deutschland, ja
sogar etwas mit der überaus lockeren Geldpolitik der Europäischen
Zentralbank, mit der Investitionen erleichtert werden, weil das Geld
immer noch extrem billig ist. Freilich wird EZB-Chef Mario Draghi
nicht noch weitere Jahre lang Milliarden Euro in den Markt pumpen
können. In den USA tritt man bereits vorsichtig auf die Geldbremse.
Über kurz oder lang wird das auch die Euro-Bank in Frankfurt tun
müssen. Hinter den guten Zahlen aus Nürnberg verbergen sich zudem
noch einige andere teilweise besorgniserregende Entwicklungen, die
sich eine künftige Regierung vornehmen sollte. So ist und bleibt es
im Boomland Deutschland immer noch ein Skandal, dass Millionen
Beschäftigte lediglich Niedriglöhne beziehen, die sie mit Hartz IV
aufstocken, unfreiwillig in Teilzeit oder auf befristeten Stellen
arbeiten oder mehrere Jobs annehmen müssen, um überhaupt über die
Runden zu kommen. Von der guten wirtschaftlichen Entwicklung
profitieren nicht alle Beschäftigten, manche gar nicht. Bei den
anstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst oder in der
Metall- und Elektroindustrie dürfte es deshalb hart zur Sache gehen.
Nicht vergessen werden dürfen dabei ebenfalls nicht die immer noch
knapp eine Million Langzeitarbeitslosen, für die es Brücken in den
Arbeitsmarkt zu bauen gilt. Fördern und fordern. Dass Nürnberg
gleichzeitig nur rund eine Dreiviertelmillion offene Stellen
verzeichnet, gibt das grassierende Problem des Fachkräftemangels
indes in seiner ganzen Dimension nur bedingt wider. Das Fehlen gut
ausgebildeter Mitarbeiter ist bereits zu einer Wachstumsbremse
geworden. Unternehmen können zum Teil lukrative Aufträge nicht
annehmen, weil das Personal fehlt. Deutschland muss viel
verantwortungsvoller mit seinen jungen Leuten umgehen. Wenn fast zehn
Prozent die Schule ohne Abschluss verlassen und dann auch kaum eine
gute Ausbildung machen sowie einen guten Job finden, ist und bleibt
das ein riesiges gesellschaftliches Problem. Trotz der guten Zahlen
aus Nürnberg.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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