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Rheinische Post: Die Folgen eines unfassbaren Todesflugs

Geschrieben am 26-03-2015

Düsseldorf (ots) - Kommentar von Martin Kessler

Der Albtraum will nicht aufhören, sagte der Bürgermeister der vom
Absturz der Germanwings-Maschine besonders getroffenen Kleinstadt
Haltern. Und er hat recht. Die neuere Wendung in diesem schlimmsten
Unglück der jüngeren deutschen Luftfahrtgeschichte macht uns
fassungslos. Ein junger, ehrgeiziger Pilot, mit guten Zeugnissen,
sportlich, ruhig, steuert mit einem Flugzeug 150 Menschen in den Tod.
Noch ist völlig unklar, was diesen verhängnisvollen Entschluss bei
ihm auslöste. Die Tat, die unschuldige Passagiere und Crewmitglieder
ins Verderben riss, wird immer unverständlich bleiben, ist nach
menschlichen Maßstäben nicht zu erklärten. Man mag sich dabei
ertappen, dass man aus egoistischen Gründen fast mit einer gewissen
Erleichterung registriert, dass nicht fehlerhafte Technik das Unglück
auslöste, sondern der Mensch in seinem Wahn. Vor so etwas ist niemand
sicher. Fehlerhafte Technik macht aber Angst. Kann ich dieser Technik
mein Leben anvertrauen? Auch wenn sie als noch so sicher angesehen
wird? Andererseits erschüttert die Tat dieses Menschen um so mehr.
Warum reißt jemand, der offenbar sein Leben beenden will, noch 149
andere mit in den Tod? Es bleiben Ratlosigkeit und Entsetzen. Die
menschliche Dimension macht den Todesflug noch schrecklicher, als
wenn der Absturz aus technischen Gründen passiert wäre. Denn noch
stärker erhebt sich die Frage, wem man trauen kann. Tatsache ist,
dass wir nicht nur selbst für unser Leben verantwortlich sind. Viele
anderen übernehmen Verantwortung - Eltern, Ärzte, Polizisten, ja im
Grunde jeder Zugführer, Busfahrer oder Autofahrer, in dessen Wagen
ich einsteige. Vertrauen in die Fähigkeit und Redlichkeit anderer ist
eine Grundvoraussetzung für unser Leben. Es zeigt sich auch in diesem
Unglück, dass der Mensch ein zutiefst soziales Wesen ist. So schlimm
das Verhalten des jungen Piloten ist, im Normalfall zahlt sich das
Vertrauen aus. Es ist Gott sei Dank viel, viel häufiger anzutreffen,
dass wir in anderen geborgen sind, als dass sie fahrlässig oder gar
kriminell mit unserem Vertrauen umgehen. Aber auch der Missbrauch des
Vertrauens ist möglich. Unsere Gesetze, unsere Sicherheitsregeln,
unsere Etikette schützen uns vor bösartigem Verhalten anderer. Dieser
Rahmen schreckt auch mögliche Täter ab oder macht es ihnen zumindest
schwerer. In der Luftfahrt waren es zunächst die Geschäftemacher, die
nicht auf Sicherheit achteten, dann politische Fanatiker, die mit
Flugzeugentführungen Aufmerksamkeit erregten. Das Drama um die
Landshut-Entführung durch palästinensische Terroristen, die ihre
deutschen Gesinnungsgenossen von der RAF freipressen wollten, ist
zumindest den Älteren noch in lebhafter Erinnerung. Als Folge wurde
die Luftfahrt zur Hochsicherheitszone, erst recht nach den
Ereignissen am 11. September 2001, als zwei Passagierjets in die
Türme des New Yorker World Trade Centers flogen. Die Regeln wurden
immer raffinierter. Gerade auch die Vorschrift, dass die Cockpit-Tür
nur von den Piloten von innen geöffnet werden kann. Das macht es
Terroristen unmöglich, ins Cockpit einzudringen und Flugzeuge als
Waffe zu gebrauchen. Offenbar fühlte sich die Gemeinschaft der
Piloten so sicher, das abweichendes Verhalten in ihren Reihen für
unmöglich gehalten wurde. Leider ist der Fall von Andreas L. nicht
der erste in der Luftfahrt, bei dem das nicht stimmt. Ganz ähnlich
verhielt sich ein Pilot einer Fluglinie aus Mosambik. Er beging ohne
ein erkennbares Motiv Selbstmord und riss 33 Menschen mit sich.
Manche Airlines führten danach als Vorschrift ein, dass immer zwei
Menschen im Cockpit sitzen müssen. Das heißt, dass, wenn einer der
Pilotencrew austreten muss, ihn zumindest ein Flugbegleiter ersetzt.
Das ist eine gute Regel, die auch den unwahrscheinlichen, aber doch
möglichen Fall des Germanwings-Unglücks vielleicht verhindert hätte.
Man sollte darüber nachdenken, auch wenn es eine absolute Sicherheit
nicht gibt.



Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621


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