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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zum Einwanderungsgesetz

Geschrieben am 03-03-2015

Regensburg (ots) - Chris Alexander muss sich derzeit vorkommen wie
ein Guru. Zu dem kanadischen Einwanderungsminister pilgern derzeit
viele deutsche Politiker, um sich das dortige System der Einwanderung
erläutern zu lassen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der gestern
Eckpunkte für ein deutsches Zuwanderungsgesetz präsentierte, war
schon in Ottawa. Die Bundeskanzlerin auch. Von Kanada lernen heißt
jedoch, die Zuwanderung nach relativ strikten wirtschaftlichen
Bedürfnissen zu steuern. Auch Australien oder Neuseeland regeln nach
diesem Muster den Zuzug von Ausländern. Doch ist das kanadische,
vollständig elektronische Bewerbungssystem , das gleichsam einen
Zuwanderungsautomatismus bedient, wirklich das Vorbild für
Deutschland? Kanada hat übrigens gerade seine Zuwanderung neu
justiert. Der reale Arbeitsplatz ist das entscheidende Kriterium für
Zuwanderung, weniger irgendwelche Punkte, die man sich mit einer
Qualifikation in bestimmten Berufsgruppen, Alter, Sprachkenntnissen,
zusammensammeln kann. Man kann vom Land des Ahorns viel lernen, etwa
wie man eine interessengeleitete Zuwanderungspolitik fährt - was dem
Land übrigens niemand ankreidet. Doch Kanadas Einwanderungsregeln
sind nicht eins zu eins auf Deutschland zu übertragen. Wir brauchen
kein neues, kompliziertes Zuwanderungsrecht nach einem jährlich
veränderten Punktsystem, sondern vor allem eine vernünftige Anwendung
bestehender Gesetze. Freilich müssen die Regeln zusammengefasst und
entrümpelt werden. Darin hat Oppermann recht. Doch geregelte
Zuwanderung, zu der wir uns hoffentlich durchgerungen haben, darf
nicht einseitig und schon gar nicht als Allheilmittel unserer
demografischen Probleme betrachtet werden, sondern muss Teil eines
ganzen Bündels von Maßnahmen sein. Die bessere Ausbildung von jungen
- und auch nicht mehr ganz so jungen - Menschen, die bereits in
Deutschland leben, steht dabei ganz oben auf der Agenda. Egal
übrigens, ob ihre Muttersprache Deutsch, Türkisch, Arabisch, Russisch
oder sonst was ist. Man soll lieber Kinder statt Inder ausbilden, hat
der frühere CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen
Rüttgers, einst gesagt - und wurde ausgelacht. Dabei hatte er mit dem
Kern seiner Forderung durchaus Recht. Dass wir in der Bundesrepublik
über eine Million junge Leute haben, die ohne Schul- und
Berufsabschluss ins Leben entlassen werden, ist ein Skandal. Nur
leider spricht kaum noch einer darüber. Es wird einfach hingenommen.
Zweitens braucht Deutschland eine wirkliche Willkommenskultur. Wie
bürokratisch und herzlos viele Ausländerbehörden mit Zuwanderern
umgehen, ist unwürdig. Hinzu kommt, dass die Zahl von gut und sogar
hoch qualifizierten Menschen, die bei uns arbeiten und leben wollen,
zwar leicht zunimmt. Doch die meisten der internationalen
Spitzenleute zieht es eher in die USA oder nach Großbritanien. Und
dies nicht nur der Sprache wegen. Die sogenannte Blue Card
jedenfalls, bei der Einwanderer ein hohes Mindestgehalt und einen
Hochschulabschluss vorlegen müssen, ist bereits ein "Punkte-System
deluxe". Aber leider keines, das sonderlich attraktiv ist. Drittens
muss sich die Gesellschaft ernsthaft Gedanken machen, ob und wie sie
das Reservoir von Hunderttausenden Flüchtlingen künftig nutzen will.
Bislang wird unterstellt, dass diese Menschen irgendwann doch wieder
in ihre Heimatländer zurückgehen müssen. Man hält sie deshalb auch
von Arbeit und Ausbildung fern, stellt davor zumindest sehr hohe
Hürden. Aber ist das wirklich klug? Aus Angst vor Pegida, Islam- und
sonstigen Ausländerhassern mag die Union das brisante Thema kaum
anfassen. Doch das ist kurzsichtig. Die allermeisten derer, die wegen
Krieg, sozialer Not oder aus anderen zwingenden Gründen zu uns
kommen, würde gern hier lernen und arbeiten. Man muss ihnen nur die
Chance dazu geben. Und für diejenigen, die nur auf Sozialhilfe aus
sind, sollte es ohnehin kein Zuwanderungsrecht geben



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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