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Mittelbayerische Zeitung: Einer Frage des Gespürs / Horst Seehofer muss reparieren, was seine Staatskanzleichefin ruiniert hat - und steht unter Zugzwang. Leitartikel von Holger Schellkopf

Geschrieben am 02-09-2014

Regensburg (ots) - Deutlicher hätte es Christine Haderthauer in
ihrer Rücktrittserklärung kaum machen können: Sie tritt weder
freiwillig zurück noch hat sie auch nur ansatzweise verstanden, warum
ihr Rücktritt unausweichlich war. Eingeständnis von Fehlern oder gar
Reue? Keine Spur. Stattdessen tragen die böse Öffentlichkeit und die
noch böseren Medien die Schuld. Dabei ist es unter normalen Umständen
kaum tragbar, dass eine Ministerin im Amt bleibt, die unter dem
Verdacht steht, sich an der Arbeit verurteilter Straftäter bereichert
zu haben. Dieser Verdacht muss nun erst einmal juristisch
aufgearbeitet werden. Für die Notwendigkeit ihres Rücktritts hat
Haderthauer aber unabhängig davon längst gesorgt. Die Art und Weise,
wie sie mit dem Thema umgegangen ist, offenbart ein
Selbstverständnis, das mit einem exponierten Posten wie dem der
Staatskanzleichefin nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Wie sie
die politische Diskussion und die Ermittlungen gegen sie als
"Sommertheater" abtun wollte, am Ende das Geschäft mit den
Modellautos gar als eine Art soziale Initiative darzustellen suchte,
gibt nicht nur Einblick in die Persönlichkeitsstruktur Haderthauers.
Es erinnert stark an bereits aus den Affären um Guttenberg und Wulff
bekannte Handlungsmuster. Auch der ehemalige CSU-Superstar und der
frühere Bundespräsident mussten nicht gehen, weil sie eine
misslungene Doktorarbeit eingereicht oder intensive Beziehungen zu
diversen Unternehmern unterhalten haben. Sie mussten gehen, weil sie
nicht verstanden haben, dass die Menschen im Land in solchen Fällen
ein Recht auf Information haben. Ein Recht darauf haben, zu wissen,
was die Volksvertreter - ja, es gibt einen Grund für diesen etwas
antiquierten Begriff - da so treiben und nicht mit Halbwahrheiten,
Unwahrheiten oder Nichtinformation abgespeist werden können. Wie
Guttenberg und Wulff ist Haderthauer an ihrem verbogenen Selbstbild,
fehlendem Gespür für die Situation und einer katastrophalen
Kommunikationspolitik gescheitert. Über ein ganz ausgezeichnetes
Gespür für Situationen verfügt im Normalfall Bayerns
Ministerpräsident. Umso mehr dürfte sich Horst Seehofer über die
Vorstellung seiner Staatskanzleichefin geärgert haben. Es ist ja
nicht so, als hätte der CSU-Chef gerade keine anderen Baustellen. Das
Vorzeigeobjekt Pkw-Maut steht in Berlin unter Dauerbeschuss. Hinzu
kommt, dass Seehofer selbst in seiner Partei nicht mehr der
unumstrittene Held ist. Zwar rekrutierten sich die Wortführer bisher
aus eher ausrangiertem Personal wie dem Niederbayern Erwin Huber,
doch die Stimmen der Unzufriedenen wurden unüberhörbar lauter. Die
Nachfolgeregelung in Sachen Haderthauer ist für Seehofer ein durchaus
heikles Thema. Er muss jemanden finden, der den anspruchsvollen Job
in der Staatskanzlei dauerhaft stemmt, und mit seiner Wahl obendrein
in den Reihen der CSU möglichst viele Interessen befriedigen.
Europagruppenchefin Angelika Niebler wäre eine Kandidatin. Mit der
Frau aus Oberbayern würde Seehofer auch die Proporz-Anforderungen
erfüllen. Niebler will wohl lieber in Brüssel bleiben. Dem Ruf des
Chefs, so er denn trotzdem erfolgt, könnte sie aber kaum Widerstand
leisten. Erstaunlich häufig fällt in CSU-Kreisen auch der Name Albert
Füracker. Das ist - unabhängig von seinen tatsächlichen Chancen -
eine Auszeichnung für den noch recht jungen Staatssekretär. Die
notwendige Glaubwürdigkeit und Bodenständigkeit würde Füracker
mitbringen, das entsprechende Standing in München hat er
offensichtlich auch. Allerdings würde er als männlicher Oberpfälzer
das Proporz-Gefüge im Kabinett erstmal mächtig durcheinanderbringen.
Seehofer müsste gleich an mehreren Stellen nachbessern. Ob er sich
das gerade jetzt antun will, darf bezweifelt werden. Aber im
Gegensatz zu Haderthauer hat Seehofer zumeist ein blendendes Gespür
für Menschen und Situationen - und Spaß an Überraschungen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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