(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Regierungskrise in Frankreich

Geschrieben am 27-08-2014

Bielefeld (ots) - Im Hochsommer war es ein Renner: Der
Polit-Fiction-Roman in der größten Tageszeitung Frankreichs, Le
Figaro, unter dem Titel »Hollande s'en va« - Hollande tritt ab. Er
erzählt, wie im Dezember 2015 der Staatspräsident zurücktritt,
Senatspräsident Jean Pierre Raffarin, einer der Barone in der
bürgerlichen UMP, interimistisch das Amt übernimmt. Auch das
konservative Wochenmagazin Valeurs Actuelles hat in einem Sommerroman
die Irrungen der Linksregierung aufgegriffen: »Le grand soulèvement«
- der große Aufstand. Darin sinniert Regierungschef Manuel Valls, man
zählt den 25. Juni 2015: »Vor einem Jahr habe ich gesagt, die Linke
könnte explodieren. Ich glaube, das passiert gerade...« Holt die
Wirklichkeit die Fiktion ein? Auf den ersten Blick könnte man sagen:
In Paris hat das Stolpern begonnen. Aber das hieße, den französischen
Präsidenten und seinen Premier zu unterschätzen. Es ist richtig, dass
Präsident François Hollande auf einem historischen Tief von 17
Prozent Zustimmung verharrt. Auch Premier Manuel Valls verliert
rasant an Rückhalt. Er liegt bei 34 Prozent. Richtig ist auch, dass
die Wirtschaftsdaten tiefrot blinken, Frankreich steht und ächzt in
einer leichten Rezession, die sich zu einer schweren entwickeln kann.
Die Grande Nation kränkelt. Eine schnelle Genesung ist selbst bei
einer Radikalkur unmöglich. Strukturelle Reformen brauchen Zeit, bis
sie greifen. Aber das Duo Hollande/Valls handelt nicht in Panik.
Schon seit Wochen trägt es sich mit dem Gedanken, den Wahlmodus zu
ändern. Bei Neuwahlen würden die Sozialisten mit dem aktuellen
Mehrheitswahlrecht gnadenlos untergehen. Deshalb wächst der Unmut in
der eigenen Partei. Mandatsträger auf allen Ebenen fürchten um ihre
Pfründe. Mit dem Verhältniswahlrecht würde man dagegen drei Fliegen
mit einer Klappe schlagen: Erstens würde die bürgerliche UMP viel
weniger zulegen als unter dem Mehrheitswahlrecht. Zudem müsste sich
UMP mit der rechtsextremen Front National die konservativen Stimmen
teilen. Das würde zu Streit im rechten Lager führen. Denn beide
Parteien sind für eine Koalition nicht reif. In der UMP toben
Machtkämpfen. Drittens: Die linken Parteien würden insgesamt weniger
verlieren. Hollandes Hoffnung lautet also: Entweder gelingt es so,
noch eine knappe Mehrheit mit den Parteien in der Mitte zu gewinnen
oder die UMP geht in eine Große Koalition mit den Sozialisten. In
beiden Fällen bliebe Hollande Chef im Ring. Deshalb hat er mit dem
Umbau der Regierung Valls eine neue Dynamik in Gang gesetzt. Er
gewinnt Zeit, um seinen Plan umzusetzen. Ähnlich verfuhr sein großes
Vorbild François Mitterrand vor 30 Jahren. Auch er führte das
Verhältniswahlrecht ein, was die bürgerliche Regierung später
rückgängig machte. Das Ende von Valls ersten Regierung ist nur ein
erster Schritt in Richtung Machterhalt. Auf Frankeichs Genesung muss
Europa noch warten.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

543871

weitere Artikel:
  • Westfalenpost: Integration braucht klare Zuwanderungsregeln Von Torsten Berninghaus Hagen (ots) - Das Recht aller EU-Bürger, in jedem Land der Europäischen Union leben und arbeiten zu können, ist eine großartige Errungenschaft. Denn die sogenannte Freizügigkeit schafft Akzeptanz, individuelle Freiheit und lässt die EU weiter zusammenwachsen. Und deshalb rüttelt niemand an diesem Recht - auch nicht der Bericht zur Armutsmigration. Nach dem populistisch-verkürzten CSU-Wahlkampf-Slogan "Wer betrügt, der fliegt" war es höchste Zeit, die überhitzte Diskussion um möglichen Sozialmissbrauch zu versachlichen und an mehr...

  • Westfalenpost: Ohne Perspektive Von Joachim Karpa Hagen (ots) - Wer geglaubt hat, nach dem Gipfeltreffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit seinem ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko in Minsk hört die Gewalt im Osten der Ukraine auf, der ist naiv. Diplomatische Floskeln verkünden einen Fahrplan für eine Waffenruhe. Eine frohe Botschaft ohne Wert. Warum? Weil das politische Handeln eine andere Sprache spricht. Wieder ist ein russischer Hilfskonvoi ohne Zustimmung aus Kiew unterwegs, und der Nachschub an Kämpfern und Waffen für die Separatisten ebbt nicht ab. mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Nato-Signal an Putin = Von Matthias Beermann Düsseldorf (ots) - Dass die Nato ein Verteidigungsbündnis ist, schien zuletzt fast vergessen. Nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts waren der westlichen Allianz der Gegner und das Feindbild abhandengekommen. Die Politiker beeilten sich, die Friedensdividende einzustreichen. In den meisten Nato-Staaten wurden die Militärausgaben drastisch gekürzt. So sehr, dass so manche Armee heute als kaum noch einsatzbereit gilt. Aber warum sollte sie auch bereit sein - umgeben von Freunden? Die Lage hat sich geändert. Die brutale russische mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Riskantes Internet = Von Reinhard Kowalewsky Düsseldorf (ots) - Das Wachstum der Kriminalität im Internet erschreckt: 64 000 gemeldete Fälle alleine im vergangenen Jahr, mehr als 20 Prozent Zuwachs gegenüber 2009, außerdem eine riesige Dunkelziffer von nicht gemeldeten Fällen. Wie können sich Bürger schützen? Das Installieren von Programmen gegen Viren und Trojaner ist Pflicht - die fälligen Gebühren von einigen Dutzend Euro im Jahr müssen hingenommen werden. Gleichzeitig sollte eine externe Festplatte als Zweitablage von wichtigen Fotos und Dokumenten genutzt werden: Computer mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Angela Merkel lässt das Maut-Chaos zu = Von Michael Bröcker Düsseldorf (ots) - Die Einführung einer Pkw-Maut gerät endgültig zur Posse. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sich mit der Ausweitung der Abgabe auf alle Straßen kräftig verzockt. Weil der CSU-Mann hohe Einnahmen erzielen muss, um ein Kriterium aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen, kam er auf die Idee der Vollbemautung. Abgesprochen war dies - wieder einmal - mit niemandem außer CSU-Chef Horst Seehofer. Kein Wunder, dass die NRW-CDU, die um ihren täglichen Grenz-Pendelverkehr fürchtet, verärgert ist. Nun haben sich die mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht