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Mittelbayerische Zeitung: Arm, sexy, gescheitert / Wowereits Rückzug offenbart die Schwäche der Berliner SPD. Seinem Nachfolger droht die Abwahl. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 26-08-2014

Regensburg (ots) - Vor 13 Jahren war Klaus Wowereit urplötzlich
zum Stern am dunklen Himmel der SPD aufgestiegen. Nach all dem Filz
und der milliardenschweren Pleite der Berliner Landesbank unter einem
schwarz-roten Senat, versprach der neue, flotte SPD-Mann frischen
Wind für die Hauptstadt. Die abgehalfterte Berlin-SPD war plötzlich
wieder vorzeigbar. Mit kräftigen Sprüchen machte sich der "Regierende
Partykönig" auch rasch bundesweit einen Namen. "Ich bin schwul - und
das ist gut so, liebe Genossen", lautete sein öffentliches Outing,
mit dem er einer Veröffentlichung in der Springer-Presse zuvor kam.
Berlin sei "arm, aber sexy", schlug "Wowi" aus der chronischen
Finanznot der Hauptstadt noch werbemäßig Kapital. In 13 Jahren an der
Spitze von rot-roten, oder wie zurzeit, rot-schwarzen Senaten hat er
zwar nicht sonderlich viel zustande gebracht, doch der hippe SPD-Mann
stand irgendwie für die angesagte Kreativ-Hauptstadt. Gestern nun ist
der funkelnde Stern Wowereits verglüht wie eine kleine Sternschnuppe.
Selbst als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten war der Berliner
gehandelt worden. Eine Ewigkeit scheint das her. Pech klebte schon
lange an ihm. Und auch das Glück hat ihn verlassen. Der Regierende
Bürgermeister wirkte müde, zermürbt, saft- und kraftlos. Wenigstens
den Termin seines Rückzuges wollte Wowereit nun noch selbst
bestimmen. Vor allem mit seinen politischen Pleiten wird Wowereits
Name verbunden bleiben. Der Großflughafen BER erwies sich als viele
Nummern zu groß für ihn. Wann von dem milliardenteueren Airport
Flugzeuge starten werden, weiß bis heute kein Mensch. Lange deckte
Wowereit seinen Kulturstaatssekretär, der kräftig Steuern hinterzogen
hatte. Und vor ein paar Wochen fielen die Senatspläne zur Bebauung
des einstigen Tempelhofer Flughafenareals bei den Berliner glatt
durch. Statt für das Projekt zu werben, verlegte sich Wowereit aufs
Beschimpfen der eigenen Bürger. Das Problem ausländischer
Flüchtlinge, die monatelang einen Platz in Berlin-Kreuzberg
besetzten, wollte er aussitzen. Und eine erneute Olympia-Bewerbung
für die Hauptstadt ging Wowereit nur hasenfüßig an. Angesichts dieser
Reihe von Pleiten, Pech und Pannen kommt Wowereits Rückzug nicht
überraschend. Die eigenen Genossen hatten den erfolglosen Berliner
Senatschef längst fallengelassen. Die Diadochenkämpfe um Wowereits
Erbe waren sogar schon vor Monaten offen ausgebrochen. Dann wurden
sie notdürftig übertüncht. Doch nun gehen sie auf offener Bühne
weiter. Einen wirklich fähigen und populären Spitzenmann hat die SPD
jedoch nicht anzubieten. All das verspricht für die Stadt und die
einst stolze Partei von Willy Brandt nichts Gutes. Auch für die
Bundes-SPD kommt der Wirbel um Wowereits Rückzug ganz und gar
ungelegen. Gerade ist die SPD mit dem emsigen Vize-Kanzler und
Energiewendeminister Sigmar Gabriel dabei, bundesweit so etwas wie
Seriosität und Verlässlichkeit aufzubauen, da wird sie von den
Berliner Baustellen zurück auf den harten Boden der Unzulänglichkeit
geholt. Noch für zwei Jahre gilt für die Hauptstadt der
Koalitionsvertrag von SPD und CDU. Womöglich wird der
Wowereit-Nachfolger danach jedoch vom blassen CDU-Spitzenmann Frank
Henkel aus dem Roten Rathaus gedrängt. So oder so jedoch bleibt die
defizitäre Hauptstadt auf Hilfen der anderen Länder und des Bundes
angewiesen. Wowereit ist bald weg, Berlins Probleme aber bleiben.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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