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Börsen-Zeitung: Der große Zinsirrtum, Marktkommentar von Kai Johannsen

Geschrieben am 15-08-2014

Frankfurt (ots) - Seit rund zwei Wochen gibt es vom Markt der
Bundesanleihen nichts anderes zu vermelden als Tiefstände bei den
Renditen. Wie schon das gesamte Jahr über kennt der Markt nur eine
Richtung, und die lautet gen Süden. In der zu Ende gegangenen Woche
konnte dann ein besonderes Novum beobachtet werden. Da die Rendite
der zehnjährigen Bundesanleihe unter die Marke von 1% fiel - am
Freitag ging es wegen der Feuergefechte in der Ukraine bis auf 0,96%
herunter -, war entlang der Kurve von Geldmarktpapieren mit
sechsmonatiger Laufzeit bis hin zu ebendiesen zehnjährigen Papieren -
bei der laufenden Rendite eine Null vor dem Komma. Mal ganz abgesehen
davon, dass das kurze Ende immer wieder in den negativen
Renditebereich abrutscht, die Anleger also noch Geld mitbringen, um
Vater Staat Kredit geben zu dürfen. Für den Schuldner Bund ist das
verständlicherweise eine ausgesprochen günstige
Refinanzierungssituation, und zwar günstig im wahrsten Sinne des
Wortes, denn entweder bekommt er Zinsen fürs Schuldenmachen, oder er
zahlt keine oder muss nur noch Sätze im Nullkommabereich auf den
Tisch legen, und das bis hin zu den Langläufern von zehn Jahren. Gut,
bei 30 Jahren Laufzeit ist es mit knapp unter 1,90% auch nicht gerade
teuer.

Weniger als 1 Prozent

Zehnjährige Bundesanleihen mit einer laufenden Verzinsung von
weniger als 1%! Den meisten Bundesbürgern wird das kaum bewusst sein.
Fragen Sie in Ihrem Bekannten- oder Freundeskreis doch mal nach, was
langfristige Bundesanleihen oder Rentenfonds, die langfristige
Bundespapiere halten, im Schnitt so abwerfen. Aus dem Bauch heraus
werden die meisten antworten: "So um die 6%." Und aktuell findet sich
noch ein entsprechendes Überbleibsel, nämlich beim Bund-Future, der
auf eine idealtypische Bundesanleihe mit einer Restlaufzeit in
ebendiesem Bereich und mit einem Kupon von 6% lautet. Eben deswegen
notiert der Bund-Future ja auch mit Kursen von derzeit 150%. Zur
Erinnerung: Der Bund-Future bzw. die Konstruktion dieses heute immer
noch richtungsweisenden Zinsinstruments stammt aus der Zeit Ende der
achtziger Jahre. Seinerzeit liefen die Vorbereitungen für den Start
der Deutschen Terminbörse 1990, einer Vorgängerinstitution der
heutigen Eurex. Und damals warfen zehnjährige Bundesanleihen eben um
die 6% ab.

Heute ist es also gerade mal ein Sechstel oder aktuell noch ein
klein wenig weniger. Viele Experten prognostizieren angesichts dieser
niedrigen Marktrenditen der Bundesanleihen denn auch schon wieder
steigende Sätze. Als die Zehnjahresrendite am vorigen Donnerstag
gerade unter 1% gefallen war, hieß es etwa bei der Nord/LB schon
wenig später: "Die derzeitigen Rahmenbedingungen - träge
konjunkturelle Entwicklung, niedriger Preisdruck, geopolitische
Konfliktlagen - haben dazu beigetragen, dass sich der Renditerückgang
der letzten Monate noch einmal verschärft hat. Was dem deutschen
Staatshaushalt hilft, ist Ausdruck einer spürbaren Verunsicherung
vieler Investoren. Dennoch halten wir die aktuellen Entwicklungen für
überzogen und rechnen auf Sicht wieder mit leicht steigenden
Renditeniveaus." Das wurde in den vergangenen Jahren von vielen
Marktteilnehmern immer wieder vorausgesagt. Die Anleiherenditen
fielen aber immer weiter zurück.

Wirklich nur kurzfristig?

Es spricht nicht viel dafür, dass es sich nur um ein kurzfristiges
Abrutschen unter 1% handelt und der Markt im zehnjährigen Bereich
bald wieder bei 1,5%, 2% oder sogar noch darüber handeln wird. Von
der deutschen Wirtschaftsentwicklung kommen nicht gerade Signale,
dass der Konjunkturmotor zu überhitzen droht. Die Inflation läuft
ebenfalls nicht aus dem Ruder; es geht vielmehr das
Deflationsgespenst um. Die geopolitischen Krisenherde, so zeigt die
Vergangenheit, waren meist nicht nach kurzer Zeit ad acta gelegt.
Oftmals sind neue Krisen dazugekommen. Die Staatsschuldenkrise deckt
die Europäische Zentralbank seit geraumer Zeit mit Liquidität zu. Und
sie hat die Marktteilnehmer schon oft genug darauf eingestimmt, dass
die Leitzinsen in der Eurozone niedrig bleiben werden. Das Tapering,
das nach Einschätzung von Experten auch hierzulande die
Anleiherenditen nach oben ziehen sollte, ist mittlerweile zu einem
Non-Event geworden. Auch in den USA fallen die Bondrenditen zurück.
Dieses Umfeld spricht insgesamt nicht gerade für höhere
Anleiherenditen. Ganz im Gegenteil: Die Anleger sind wohl gut
beraten, sich auf ein Niedrigrenditeumfeld einzustellen, das noch
geraume Zeit - also Jahre - anhalten wird. Alles andere hat sich in
der Vergangenheit als großer Zinsirrtum herausgestellt.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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