(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Obamas Irak-Politik

Geschrieben am 12-08-2014

Regensburg (ots) - von Thomas Spang, MZ

Hillary Clinton lag schon einmal daneben. In ihrem Buch "Hard
Choices" gibt sie zu, ihre Zustimmung zu George W. Bushs Krieg in
Irak 2002 sei ein Fehler gewesen. Das sahen auch die Wähler so, die
sie bei den Vorwahlen der Demokraten als Kandidatin für das Weiße
Haus zurückwiesen. Stattdessen schickten sie Obama ins Rennen, der
Bushs Feldzug gegen Saddam Hussein von Anfang an als "dumm"
bezeichnet hatte. Auch mit ihrer neuerlichen Kritik am Präsidenten
schießt Clinton am Ziel vorbei. Dass eine frühere Bewaffnung des
syrischen Widerstands gegen Diktator Assad den Aufstieg der
IS-Milizen verhindert hätte, klingt gut, macht aber wenig Sinn. Es
gab in Syrien schlicht nicht genügend "moderate" Kräfte, die gegen
die bestens ausgebildeten Streitkräfte eines Staates in Stellung
gebracht werden konnten. Zudem bestand die Gefahr, dass
Waffenlieferungen an die "Free Syrian Army" in die falschen Hände
geraten wären. Wie auch US-Luftangriffe auf syrische Truppen oder
Schutzkorridore vermutlich am meisten den Terrorbrigaden des Kalifats
geholfen hätten. Im Unterschied zu den gemäßigten Oppositionellen in
Syrien stützen die IS-Dschihadisten ihre militärische Kraft nach
Erkenntnissen der Geheimdienste auf die Erfahrung abgetauchter
Offiziere des ehemaligen irakischen Diktators Saddam Hussein. Ihre
Kämpfer rekrutierten sie aus sunnitischen Stämmen, die auf beiden
Seiten der Grenze leben und sich von den Schiiten unterdrückt
fühlten. In Syrien von der Assad-Regierung, die ein enger Verbündeter
Irans ist. Mehr noch aber von der ausgrenzenden Politik des
irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Sympathisanten in
Saudi Arabien und anderen Golfstaaten rüsteten die extremistischen
Glaubensbrüder mit Waffen aus, während aus dem Irak ein reicher
Geldstrom durch ein Mafia-ähnliches Schutzgeldsystem fließt. Wie weit
die IS-Miliz die sunnitischen Gebiete im Irak infiltriert hat, zeigt
der rasante Fall der zweitgrößten irakischen Stadt Mosul im Juni. De
facto gab es keinen Widerstand gegen die Extremisten. Obama
schlussfolgerte völlig richtig, dass jenseits einer militärisch
erzwungenen Pax Americana der Schlüssel für die Lösung des Konflikts
nicht in Syrien, sondern in Irak liegt. Da Ersteres keine ernsthafte
Option ist, versuchten die Amerikaner über einflussreiche Schiiten
wie den geistlichen Führer Irak, Ayatollah Ali al-Sistani, Druck auf
Al-Maliki auszuüben, den Weg für die Bildung einer auf Ausgleich
bedachten Regierung frei zu machen. Eine Wende kann es nur geben,
wenn die Sunni das Kalifat nicht mehr als das kleinere Übel ansehen.
Es dürfte kein Zufall sein, dass der Machtkampf in Bagdad
ausgerechnet zu dem Zeitpunkt eskaliert, an dem die USA im Norden des
Landes den Kurden und Jesiden mit Luftschlägen zu Hilfe eilen. Ein
Eingreifen mit dem begrenzten Ziel, Völkermord zu verhindern und die
Destabilisierung der strategisch wichtigen Region zwischen der
Türkei, Syrien und Iran zu vermeiden. Hillary Clinton mag Obamas
Pragmatismus als Außenpolitik ohne Leitidee kritisieren. Fragt sich,
warum sie dies erst jetzt beanstandet, nachdem sie diesen Kurs fast
vier Jahre lang an der Spitze des State Departments ausführte. Das
klingt nach Besserwisserei und sieht nach dem Versuch aus, sich wegen
ihrer eigenen Ambitionen auf das Weiße Haus von dem in den Umfragen
abgesackten Präsidenten zu distanzieren. Clinton und andere Kritiker
sollten sich daran erinnern, wem die gegenwärtige Katastrophe in der
Region wirklich zu verdanken ist. Sie ist das Ergebnis der
idealistischen Politik George W. Bushs, der große Visionen im Nahen
Osten verfolgte. Statt im Irak den ersten Domino umzustoßen, der eine
Demokratisierung der Region auslöste, zündete er die Lunte an einem
Pulverfass.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

541646

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Eintrübung der konjunkturellen Lage Neue Herausforderungen Alexandra Jacobson, Berlin Bielefeld (ots) - Die extrem vernetzte und globalisierte deutsche Wirtschaft kann sich von den krisenhaften Entwicklungen in der Welt nicht abkoppeln. Die konjunkturellen Aussichten sind keineswegs düster, aber sie trüben sich ein. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer dämpft die Erwartungen an die kommende Tarifrunde - er ist aber klug genug, keine öffentlichen Empfehlungen auszusprechen. Dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann öffentlich von einem Verteilspielraum von drei Prozent gesprochen hat, wurde von den Arbeitgeberverbänden als mehr...

  • Westfalenpost: Rente mit 63 Hagen (ots) - Können Sie sich noch erinnern? Es ist gar nicht lange her, da konnten Arbeitnehmer nicht früh genug in die Rente geschickt werden. Angeblich, um Jüngeren den Arbeitsplatz nicht streitig zu machen, was immer schon Unsinn war, denn ein erfahrener Mitarbeiter erfüllt in einem Unternehmen eine ganz andere Rolle als ein Greenhorn. Nun haben wir die Rente mit 63 ermöglicht - und die Zahl der verdienten Arbeitnehmer, die sich diese Chance nicht entgehen lassen will, hat eine erstaunliche Größe angenommen.

    Das ist misslich. mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Moskau will Nahrung und Medikamente in die Ukraine bringen Unschuldige brauchen Hilfe Monika Kophal Bielefeld (ots) - Seit Monaten herrscht im ukrainischen Konfliktgebiet Donbass eine kriegsähnliche Situation. Engpässe gibt es bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser. Ausgerechnet Russland schickt humanitäre Hilfe - 280 Lastwagen mit Hilfsgütern, darunter Nahrung und Medikamente. Für den Westen - die ukrainische Regierung inbegriffen - ist die Sache klar: Der Hauptschuldige im Ukraine-Konflikt hat Böses vor. Etwa die prorussischen Separatisten mit Waffen und Personal zu unterstützen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow mehr...

  • Weser-Kurier: Zum russischen Lkw-Konvoi in die Ostukraine schreibt Doris Heimann: Bremen (ots) - Die Auseinandersetzung um den russischen Konvoi mit humanitärer Hilfe für die Ostukraine zeigt, dass Russland sämtliches Vertrauen verspielt hat. Weder der Westen noch die ukrainische Führung trauen dem Kreml mehr über den Weg. Die Hysterie mag übertrieben erscheinen. Doch Moskau tut alles, um den Argwohn zu schüren. Die eingesetzten Lkw sind offensichtlich umlackierte Militärlaster, sie werden zudem von Uniformierten begleitet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz weiß über die Fracht nicht Bescheid. Und schließlich mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zur Anklage gegen Deutsche-Bank-Chef Fitschen Halle (ots) - Solange das Verfahren läuft, kann Fitschen die Geschäfte weiter führen - das hat Vorgänger Josef Ackermann vorgemacht. Zurücktreten müsste er erst bei einer Verurteilung. Zwar wiegen die Vorwürfe gegen ihn weniger schwer als die gegen andere ehemalige und heutige Führungsleute. Fitschen hat auch nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft im Prozess um die Schadenersatzforderungen des ehemaligen Medienunternehmers Leo Kirch nicht gelogen. Ihm wird zur Last gelegt, den Betrug der anderen nicht unterbunden zu haben. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht