(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Weltkriegsgedenken

Geschrieben am 03-08-2014

Bielefeld (ots) - Keine Frage: An aktuellen Beispielen für eine
brisante politisch-militärische Gefechtslage fehlt es exakt 100 Jahre
nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs nicht. Dennoch sind weder
Frankreichs Präsident François Hollande noch Bundespräsident Joachim
Gauck gestern der Verlockung erlegen, all zu kurze Schlüsse zu
ziehen. Sie erinnerten an den schier unglaublichen Blutzoll der
Völker, würdigten die Opfer und gaben eine ganz klare Antwort für
heute: Der Blick zurück macht nur Sinn, wenn wir daraus Europa als
große Idee und Vorbild ableiten. Nicht Brüsseler Streitereien,
Finanzmärkte und nationale Eitelkeiten, sondern die große und
stabilisierende Friedensidee dahinter muss Leitplanke in die Zukunft
sein.

In den vielen Feierstunden dieser Tage bleibt es interessant zu
beobachten, inwieweit der Historikerstreit zwischen Deutschlands
»Griff nach der Weltmacht« (Fritz Fischer) und den vielen
»Schlafwandlern« (Christopher Clark), die ins Unheil schlitterten,
eine Rolle spielt. Die aktuelle Weltlage erinnert den australischen
Historiker Clark an die Wirklichkeit von 1914. Auch heute gebe es
eine multipolare Welt, in der vieles unvorhersehbar und gefährlich
für den Frieden sei, sagt er.

Ja, es gibt eine Reihe von Regionalkrisen, in die echte
Weltmachtinteressen hineinspielen. Die Situation von 1914 spreche uns
viel intimer und direkter an als beispielsweise die Zeit des Kalten
Krieges, hat Clark dieser Tage in einem Interview erklärt. Zwischen
den Zeilen klingt hier allerdings die inakzeptable Erkenntnis mit,
dass Zeiten des Friedens durch atomaren Overkill zwischen Warschauer
Pakt und Nato womöglich die besseren, weil stabileren waren.

Es gibt kein Zurück, sondern nur das Streben um ein friedliches
Vorwärts. Und da erweist sich mit Blick auf die Alte Welt die
europäische Einigung als Glücksfall. Günter Nonnenmacher kommt in der
»Frankfurter Allgemeinen Zeitung« zu dem Schluss, dass die EU »das
erfolgreichste Experiment der Geschichte zur Zügelung
zwischenstaatlicher Spannungen ist.« Der Beweis ist erbracht. Ganz
klar.

Und auf diesem Wege darf man sich dann doch den Ähnlichkeiten des
Damals und des Heute nähern. Ja, 1914 sah sich jede der beteiligten
Mächte überfallen und frei von Schuld am Ausbruch des folgenden
Krieges. Das Muster kommt beklemmend bekannt vor. Außerdem: Der erste
totale Krieg des 20. Jahrhunderts war - anders als der zweite -
vermeidbar. Wir wissen das heute zu genau - und doch wird zu gern mit
Sachzwängen argumentiert.

Schlimmer: Längst für überwunden gehaltene nationalistische Muster
wie das Denken in Einflusssphären feiern nicht nur in der Ostukraine
fröhliche Urständ. In der Levante bereitete der arabische Frühling
den Weg zum Rückfall in Religionskriege und im Falle Libyen lässt
sich fragen, für was der Westen Muammar al-Gaddafi weggebommt hat.
Krieg ist sinnlos und bleibt doch gnadenlos präsent.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

540361

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Kirchenaustritte wegen Zinssteuer Wie gewonnen, so zerronnen BERNHARD HÄNEL Bielefeld (ots) - Viel dürfte es nicht sein, was die Kirchen an Zinsertragssteuer einnehmen. Dafür sorgen die historisch niedrigen Zinsen, die zu einer kalten Enteignung der Sparer führen. Entsprechend groß ist der Frust der Anleger, besonders bei jenen, die über Erspartes über dem Freibetrag verfügen. Dann greift der Staat ab und neuerdings auch die Kirchen. Sie haben durchgesetzt, dass der Bundestag ein Religionsregister genehmigte, das eine automatische Meldung an die Banken über die Konfessionszugehörigkeit ihrer Kunden erlaubt. mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Israels Strategie in Gaza Stuttgart (ots) - Die Strategie der Islamisten richtete sich gegen Israels emotionale Achillesferse: die Entführung eines Soldaten, tot oder lebendig. Immer wieder war es Terroristen gelungen, Israel damit Zugeständnisse abzupressen. Die Regierung will das fortan verhindern - mit Hilfe der Rabbiner. Die nämlich legen strenge Glaubensregeln scheinbar neu aus. Den entführten Leutnant erklärten sie für tot und gestatteten ein Begräbnis, bei dem nur Leichenteile beigesetzt wurden. Schon vor Wochen hatten sie ähnlich entschieden. So verhinderten mehr...

  • Ostthüringer Zeitung: Dirk Hautkapp kommentiert: Kerry wenig erfolgreich Gera (ots) - Weil Israelis wie Palästinenser gleichermaßen über den als Streitschlichter in der Gaza-Krise bisher wenig erfolgreichen US-Außenminister John Kerry entsetzt sind, ist ein sich seit langem andeutendes Phänomen weltöffentlich geworden: Amerikas Einfluss auf die Geschicke im Nahen Osten reicht inzwischen nicht einmal mehr aus, um ein anhaltendes Schweigen von Granaten und Raketen zu erwirken. Uncle Sam redet, die anderen schießen weiter. Vor allem aus Israel kommt dafür jede Menge Spott. Indem der Kerry Israelis und mehr...

  • Badische Neueste Nachrichten: Ungleiche Erinnerung - Kommentar von Klaus Gaßner Karlsruhe (ots) - Der Krieg vor 100 Jahren war auch ein Krieg der Propaganda, eine Schlacht, die mit Unwahrheiten und Verzerrungen geführt wurde, eine Auseinandersetzung, die auf tief sitzendes Misstrauen gründete, ein Krieg, der getragen war von der Angst, im Spiel der Großmächte zurückzufallen. Das erinnert auf ernüchternde Weise an die Ukraine-Krise. 1914 war es nicht gelungen, einen regionalen Konflikt zu entschärfen und die tiefen Kluften zu überwinden. Es hat fast 100 Jahre gedauert, vorurteilsfrei zurückschauen zu können. mehr...

  • Rheinische Post: Linke-Chef fordert Merkel auf, Maut-Pläne zu stoppen Düsseldorf (ots) - Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger, hat angesichts neuer juristischer Bedenken gegen die Pkw-Mautpläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Kanzlerin zum sofortigen Handeln aufgerufen. "Merkel muss bei der Maut die Notbremse ziehen. Dobrindt ist als Minister gescheitert. Er hat Murks geliefert", sagte Riexinger der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagausgabe). Wenn die Regierung an dem Projekt festhalte, "wird es eine politische Kettenreaktion geben, an deren Ende mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht