(Registrieren)

Neue OZ: Interview mit Roland Jahn, Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde

Geschrieben am 02-08-2014

Osnabrück (ots) - Stasi-Unterlagen-Beauftragter: "Auch in der
Diktatur scheint die Sonne - aber nicht jederzeit für jeden"

Behördenchef Jahn plädiert für einen differenzierten Umgang mit
der DDR-Vergangenheit - mehr als drei Millionen Anträge auf
Akteneinsicht verarbeitet

Osnabrück.- Roland Jahn, Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, hat
für einen differenzierten Umgang mit der DDR-Vergangenheit plädiert.
Im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte
Jahn: "Auch in der Diktatur scheint die Sonne - aber nicht jederzeit
für jeden." Jahn, der seit drei Jahren der Stasi-Unterlagen-Behörde
vorsteht, war einst selbst Opfer des SED-Regimes und in einem
DDR-Gefängnis inhaftiert. Aus diesem Grund habe der 25. Jahrestag des
Mauerfalls in diesem Jahr für ihn "eine ganz persönliche Bedeutung",
erläuterte er. "Mit dem Fall der Mauer war es mir möglich, wieder
nach Hause zu fahren, nach Jena. Sechs Jahre zuvor war ich gewaltsam
aus der DDR herausgebracht worden", erinnerte er sich. Insgesamt
werde "mit dem Mauerfall deutlich, dass Menschen es geschafft haben,
Gesellschaft zu verändern", so Jahn. "Sie haben erreicht, was viele
nicht für möglich hielten, nämlich dass die Mauer als Ausdruck einer
Diktatur in der DDR gefallen ist. Heute sei "wichtig, die Menschen
bei ihren Erlebnissen abzuholen" und "das gesamte Bild" zu
betrachten, forderte Jahn, der 1953 in Jena zur Welt kam.

Der Bundesbeauftragte betonte weiter die besondere Bedeutung der
historisch einmaligen Aktensammlung im Stasi-Unterlagen-Archiv: "Es
sind ja nicht nur Akten, die die Arbeit der Geheimpolizei
dokumentieren, sondern sie sind auch Zeugnisse des Freiheitswillens
von Menschen. Diese Akten zeigen uns das ganze System, die
Herrschaftsmechanismen der SED-Diktatur insgesamt". In diesem
Zusammenhang lobte Jahn die im Juli vom Bundestag eingesetzte
Expertenkommission, welche Empfehlungen für den zukünftigen Umgang
mit dem Archivmaterial geben soll. Jahn sagte dazu: "Das Signal war
eindeutig: Es gibt keinen Schlussstrich zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur. Die Akten bleiben offen." Dass die Anfragen im Laufe
der Jahre zurückgingen, sei "logisch", erklärte Jahn. Jedoch gebe es
"immer wieder neue Aspekte" für Forschung, Medien und Bildungsarbeit.
Insgesamt seien bisher "über drei Millionen Anträge auf persönliche
Akteneinsicht eingegangen", so Jahn.

Mit Blick auf die aktuelle NSA-Spähaffäre erklärte Jahn in der
"Neuen Osnabrücker Zeitung", dies offenbare, wie wichtig es sei,
"sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen". Er könne nur
"ermuntern, dass man heute mit dem Wissen darum, wie es früher in der
Diktatur war, die Stopp-Zeichen" setze. Jedoch dürfe man die
NSA-Affäre keinesfalls einfach gleichsetzten mit den
Stasi-Spähaktionen, betonte er. "Das würde die Opfer der SED-Diktatur
verhöhnen und auch den Blick in die Gegenwart vernebeln." Methoden
seien häufig gleich, jedoch gebe es "einen Unterschied im System":
"In der Diktatur war die Geheimpolizei dazu da, Menschenrechte zu
unterdrücken und die Macht einer Partei zu sichern. In der Demokratie
ist der Geheimdienst dazu da, Freiheit und Menschenrechte zu
sichern", erklärte Jahn.



Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

540301

weitere Artikel:
  • Der Tagesspiegel: Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt sieht Rot-Rot-Grün in weiter Ferne Berlin (ots) - Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sieht ein rot-rot-grünes Bündnis in immer weitere Ferne rücken. "Wenn ich mir die Linke ansehe, stelle ich fest: da arbeitet eine große und einflußreiche Gruppe intensiv daran, eine Regierungsbeteiligung zu verhindern", sagte Göring-Eckardt dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Grünen-Politikerin reagierte zugleich kühl auf Koalitionsofferten aus der CDU. "Wenn wir etwas bewegen können, ist grüne Regierungsbeteiligung immer reizvoll", sagte sie. "Man sollte nur nicht mehr...

  • Brief an Präsident Poroschenko von Gehrcke, Gysi und Anderen Berlin (ots) - Deutsche Übersetzung eines Briefes von Wolfgang Gehrcke, der von Gregor Gysi, Gabi Zimmer, Katja Kipping, Bernd Riexinger und weiteren Parlamentariern mitgezeichnet wurde und Ende der Woche an den ukrainischen Präsidendenten Poroschenko abgeschickt wurde. "Berlin, 1. 8. 2014 Eure Exzellenz, sehr geehrter Herr Präsident Poroschenko, Eure Exzellenz, sehr geehrter Herr Minister Petrenko, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete der Werchowna Rada, mit Interesse und Anteilnahme verfolgen wir, Abgeordnete mehr...

  • Kurier am Sonntag: Kommentar von Dietrich Eickmeier zu Kohls Tonbändern Bremen (ots) - Der Kölner Richterspruch sollte die Debatte darüber, ob der politische Nachlass eines deutschen Kanzlers überhaupt Privatbesitz sein darf oder ob er nicht besser bei Wissenschaftlern aufgehoben ist, neu beleben. Rein rechtlich ist das Kölner Urteil zwar korrekt, doch der Vorsitzende Richter Hubertus Nolte hat es mit Bauchschmerzen verkündet. (...) Maike Kohl-Richter hat kürzlich in einem Interview erklärt, ihr Mann habe festgelegt, dass "ich die alleinige Entscheidungsbefugnis über seinen historischen Nachlass haben mehr...

  • AfD springt CDU-Mittelstandsvereinigung bei Berlin (ots) - Im unionsinternen Streit um den Abbau der kalten Progression ergreift die Alternative für Deutschland Partei für die CDU-Mittelstandsvereinigung (CDU-MIT). "Es ist unverständlich, warum Kanzlerin Merkel die Forderungen aus der eigenen Partei abblockt, obwohl die deutschen Steuerquellen sprudeln", erklärt Bernd Lucke, Bundessprecher der AfD. "Die kalte Progression ist eine ständige Steuererhöhung. Die CDU-MIT fordert zu Recht, mit der Einführung der Steuerbremse jetzt endlich Ernst zu machen." Lucke verweist darauf, mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: SPD-Geschäftsführerin Lambrecht appelliert an Abgeordnete: In Krisen auch eigene Schwächen zugeben Berlin / Saarbrücken. (ots) - Vor dem Hintergrund des Falles Hartmann hat die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, ihre Abgeordnetenkollegen im Bundestag aufgefordert, mit eigenen Schwächen und Krisen offener umzugehen. In einem Gastbeitrag für die "Saarbrücker Zeitung" (Montagausgabe) schrieb Lambrecht, der Leistungs- und Arbeitsdruck auf die Abgeordneten sei außerordentlich hoch. "Plötzlich selbst Hilfe annehmen zu müssen, passt nicht zu dem Selbstverständnis, das man zu sich und seinem mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht