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Mittelbayerische Zeitung: In ihrem Überwachungswahn stoßen die Amerikaner die Kanzlerin permanent vor den Kopf. Leitartikel "Arrogante Supermacht" von Stefan Stark

Geschrieben am 09-07-2014

Regensburg (ots) - Wie faules Obst purzeln die US-Spione in
Deutschland von den Bäumen: Erst fliegt der Maulwurf beim BND auf,
nur ein paar Tage später wird ein mutmaßlicher CIA-Agent beim
Bundesverteidigungsministerium enttarnt. Und es ist wohl nur eine
Frage der Zeit, bis der nächste US-Spion auffliegt - hoffentlich
nicht im Kanzleramt. Bemerkenswert ist zunächst, dass die neuen
Enthüllungen niemanden mehr ernsthaft überraschen. Inzwischen traut
die deutsche Öffentlichkeit den Amerikanern in puncto Spitzeleien so
ziemlich alles zu. Dieser Eindruck ist für das Weiße Haus verheerend.
Dort hat man nichts aus der Entrüstung hierzulande über den
Lauschangriff auf das Handy der Bundeskanzlerin gelernt. Da versprach
Barack Obama vollmundig, befreundete Staats- und Regierungschefs
nicht mehr abzuhören. Nun versuchen die geheimen US-Dienste
ungeniert, den NSA-Auschuss - also den deutschen Bundestag - zu
bespitzeln und postieren auch noch CIA-Leute im
Bundesverteidigungsministerium. Es drängt sich die Schlussfolgerung
auf, dass es den Amerikanern schlichtweg egal ist, wie in Deutschland
die Welle der Empörung hochschwappt - nach dem Motto: Ist der Ruf
erst ruiniert, spioniert sich's gänzlich ungeniert. Mit diesem
Vertrauensverlust bei einem wichtigen Verbündeten aber steht die
US-Diplomatie vor einen Scherbenhaufen. Auch auf Obama fällt ein
Schatten. Der US-Präsident erweckt den Eindruck, dass er seine Spione
weiter an der langen Leine lassen will - in Berlin wird man sich
irgendwann schon wieder abregen. Doch diese Abwiegelungstaktik kann
man getrost auch als Arroganz einer Supermacht auslegen. Das
zerrüttete transatlantische Verhältnis wird darunter weiter leiden.
Natürlich gibt es in den USA eine völlig andere Wahrnehmung der
Terrorbedrohung und der erlaubten Mittel in der Gefahrenabwehr. Seit
den Anschlägen vom 11. September wittert Amerika in fast jedem Winkel
der Welt Feinde - auch in der Bundesrepublik. Immerhin stammte der
Kamikazepilot Mohammed Atta aus Hamburg. Demgegenüber ist das Thema
staatliche Bespitzelung in Deutschland ein besonders heikles Thema.
Nach den schlimmen Erfahrungen in der Nazi-Zeit mit der Gestapo und
in der DDR mit der Stasi reagiert die Öffentlichkeit äußerst
empfindlich auf die massenhafte Schnüffelei. Diese Sensibilität ist
durchaus berechtigt. Die nun enttarnten US-Spione stellen nämlich nur
die oberste Spitze eines gigantischen Eisbergs dar. Trotz allem
Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis Amerikas: Dienste wie die
NSA errichten einen digitalen Überwachungsstaat mit dem Ziel,
letztlich alle und alles zu überwachen - Gedankenpolizei inklusive.
Seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass dies keine
Science Fiction ist, sondern Realität. Dennoch hat der an
Schizophrenie grenzende US-Kontrollwahn wenig Handfestes gebracht.
Zum BND-Maulwurf lässt sich bislang sagen, dass er wahrscheinlich
drittklassige Informationen lieferte, die in keinem Verhältnis zum
entstandenen Ärger stehen. Gleichzeitig hat der riesige
US-Überwachungsapparat bei den jüngsten weltpolitischen Krisen
versagt. Ob der Vormarsch der Dschihadisten im Irak oder der
Arabische Frühling: Das Weiße Haus wurde von den dramatischen
Entwicklungen völlig überrascht. Anstatt über das angeblich
überempfindliche "Alte Europa" zu spotten, sollte Amerika die
Effizienz der eigenen Geheimdienste überprüfen. Immerhin werden sie
mit zweistelligen Milliardenetats gefüttert - und entwickeln ein
bedenkliches Eigenleben. Obama muss außerdem die Methoden seiner
Spione in Frage stellen. Denn die Kanzlerin kann es nicht länger
hinnehmen, dass sie vom großen Bruder in Washington permanent vor den
Kopf gestoßen wird. Merkel gerät in Zugzwang. Um nicht selbst
beschädigt zu werden, reichen Ermahnungen nicht mehr aus. Eine
Ausweisung von Geheimdienstlern, die unter dem Dach der Berliner
US-Botschaft firmieren, wäre ein deutliches Signal.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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