(Registrieren)

Ostthüringer Zeitung: Alle konnten alles wissen. Wer die Jahresabschlüsse der insolventen Stadtwerke Gera AG las, konnte schon 2006 von Risiken lesen, die jetzt eingetreten sind.

Geschrieben am 09-07-2014

Gera (ots) - "Davon habe ich nichts gewusst." Auf diese Floskel
ziehen sich Politiker gern zurück, wenn es um die Insolvenz der
Stadtwerke Gera AG geht. Jeder schiebt die Schuld auf den anderen:
Doch über die schwierige wirtschaftliche Lage waren sie alle
informiert - zumindest, wenn sie die öffentlich verfügbaren
Lageberichte gelesen haben. Das berichtet die Ostthüringer Zeitung
(Mittwochausgabe).

Das Handelsgesetzbuch schreibt vor, dass mittelgroße und große
Kapitalgesellschaften jährlich einen solchen Bericht fertigen müssen,
der im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. Oberstes Ziel dabei: die
Information der Öffentlichkeit, zu der zweifelsohne auch die
Stadträte in Gera zählen. Bei verantwortungsvollem Umgang mit diesen
Informationen hätten sie die Weichen politisch wohl anders gestellt.
Absehbar war nämlich schon viele Jahre, dass das Rezept der
Quersubventionierung nicht aufgeht.

So zeigt der Jahresabschluss 2006 im Kapitel "Risiken der
künftigen Entwicklung" eine interessante Aufstellung. Das
Risikomanagement-System der Stadtwerke-Holding gebe für alle
Beteiligungen einheitliche und verbindliche Richtlinien vor, heißt es
darin: "Damit werden auch in Zukunft alle Risiken, die die
Vermögens-, Finanz- und Ertragslage potenziell bedrohen könnten,
systematisch erfasst und bewertet. Gleichzeitig ist sichergestellt,
dass frühzeitig Präventivmaßnahmen ergriffen werden, um nicht
vermeidbare Risiken zu begrenzen."

In den darauffolgenden Einschätzungen sind bis auf die
Sonderabschreibung des Kraftwerkes wegen den erneuerbaren Energien
alle Risikofaktoren enthalten, die zur wirtschaftlichen Schieflage
führten.

Die allgemeinen Risiken sind noch leicht herzuleiten. Dass Gera an
Einwohnern verlieren wird und starker Wettbewerb in allen
Dienstleistungssektoren herrscht, überrascht nicht.

Interessant werden die Prognosen für die Energiesparte. Die
Chefetage befürchtete eine Senkung der Netznutzungsentgelte Strom
und Gas durch die Bundesnetzagentur, Preisanstiege für die
Beschaffung von Erdgas oder den Rückgang der Verkaufserlöse für Gas
durch erzwungene Preissenkungen der Kartellbehörden. Und auch
Liquiditätsbelastungen aus der Finanzierung des Kraftwerkskaufs
werden vorhergesagt.

Für den Geraer Verkehrsbetrieb standen als Risiken sinkende
Fahrgastzahlen und verminderte Erstattungen von Fahrgeldausfällen
für die Beförderung Schwerbehinderter im Papier, was beides eintrat.
Auch die Verzögerung von Investitionen ist aufgeführt.

Für die Wohnungsbaugesellschaft Elstertal warnte der Vorstand vor
der Entwicklung des Wohnungsmarktes und damit einhergehend vor
Leerstand und Überkapazitäten - beides Probleme, die heute zum
niedrigen Mietniveau und entsprechend geringen Margen führen.

Deutlich fielen auch die Einschätzungen für die Konzernmutter aus.
So analysiert der Vorstand, dass die Ergebnisentwicklung ungewiss sei
wegen "der branchenspezifischen Risiken der Tochterunternehmen".
Zudem könne Fremdkapitalbedarf bei der Aktiengesellschaft für
Verlustausgleichszahlungen an Tochterunternehmen entstehen. Auch wird
bereits thematisiert, dass der Konzern von Verlustausgleichzahlungen
der Stadt Gera abhängt. Sollten diese ausbleiben, könnten sich
Liquiditätsengpässe ergeben.

Als Hauptgefahr wurden bereits 2006 weiter sinkende Erlöse der
Energieversorgung Gera eingestuft, schreibt die Ostthüringer Zeitung.
Spätestens jetzt mussten alle Alarmglocken läuten, weil die
Stadtwerke schon 2006 rote Zahlen in Millionenhöhe geschrieben
haben. Die Energieversorgung Gera erwirtschaftete zwar 2,7
Millionen Euro Plus. Davon stand aber dem Minderheitsgesellschafter
fast die Hälfte zu. Der Nahverkehr benötigte hingegen 4,2 Millionen
Euro Zuschuss.

Auch die Planungen für 2007 gingen bereits von einem Fehlbetrag
für die Holding aus. "Im Hinblick auf die derzeit geplanten
Ergebnisse der Unternehmensbeteiligungen und die Liquidität der
Aktiengesellschaft ist der Fortbestand der Stadtwerke Gera AG
mittelfristig nur mit finanzieller Unterstützung der Gesellschafterin
Stadt Gera sichergestellt", heißt es.

Dabei lebten die Unternehmen von der Substanz, weil keine
ausreichenden Rücklagen für Investitionen gebildet wurden und diese
fortwährend auf Pump finanziert werden mussten. Den richtigen Schluss
haben aber weder die Aufsichtsräte noch der Stadtrat gezogen: Die
gewinnbringenden Stadtwerke-Unternehmen verfügen nicht über die
wirtschaftliche Kraft, kommunale Aufgaben wie den Nahverkehr
kostenneutral für die Stadt zu finanzieren. Die Konstruktion der
Verträge zwischen Holding und Tochterunternehmen führt zudem dazu,
dass die Stadtwerke AG die Bilanzverluste wie bei der
Sonderabschreibung aufs Kraftwerk ausgleichen muss. Die
Minderheitsgesellschafter profitieren hingegen anteilig von den
Überschüssen.

Doch welche Auswege bieten sich an, nachdem das Kind nun in den
Brunnen gefallen ist? Am klarsten ist die Lage für den Geraer
Verkehrsbetrieb: Die Stadt muss sich bekennen, wie viel sie in
Zukunft in einen leistungsstarken Nahverkehr investieren will. Das
ist die Grundlage für die Empfehlung des vorläufigen
Insolvenzverwalters zu den Fortführungschancen. Für den Flugplatz
Gera-Leumnitz soll sich ein privater Betreiber finden oder die
Gesellschaft wird abgewickelt. Ist die Zukunft der beiden
Verlustbringer geklärt, lässt sich leichter eine Lösung für die
Stadtwerke AG finden: Die übrigen Tochterunternehmen arbeiten
profitabel - nachzulesen im Bundesanzeiger.



Pressekontakt:
Ostthüringer Zeitung
Redaktion Ostthüringer Zeitung
Telefon: +49 365 77 33 11 13
redaktion@otz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

536625

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: Projekt Haseloff fordert Fortsetzung der Bürgerarbeit Halle (ots) - Sachsen-Anhalt dringt auf eine Fortführung der Bürgerarbeit für Langzeitarbeitslose. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) will beim heute beginnenden Treffen der ostdeutschen Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin ein Nachfolgeprojekt für die in diesem Jahr auslaufende Bürgerarbeit einfordern. "Für die Menschen, die trotz Bemühens im ersten Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen konnten, brauchen wir weitere Hilfen", sagte Haseloff der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Mittwochausgabe). mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Pkw-Abgabe Bundesumweltamt kritisiert Dobrindts Maut-Pläne Halle (ots) - Die neue Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, hat die Maut-Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) scharf kritisiert. "Obwohl die Maut nach Schadstoffklassen differenziert werden und für alle Straßen gelten soll, wird sie uns ökologisch keinen Schritt voranbringen", sagte Krautzberger der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Mittwochausgabe). Krautzberger kritisierte, dass sich das geplante Vignetten-System nicht an der Länge der zurückgelegten Wege orientiere. Stattdessen werde, mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: Steinmeier erstaunt und empört über US-Spionageaktivitäten - Außenminister schließt Konsequenzen gegen Botschaftsmitarbeiter nicht aus Berlin / Saarbrücken. (ots) - Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich in der BND-Spionageaffäre erstaunt und empört über das Verhalten der USA gezeigt und Konsequenzen auch für Botschaftsangehörige nicht ausgeschlossen. Was wirklich geschehen sei, müsse jetzt schnell geklärt werden, sagte Steinmeier der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwochausgabe). "Es wäre höchst beunruhigend, wenn es munter mit dem Bespitzeln weiter ginge, während wir gerade dabei sind, die NSA-Abhöraktivitäten aufzuarbeiten, und dafür im Bundestag einen mehr...

  • Neue OZ: Neue OZ - Gespräch mit Bernd Riexinger, Linken-Vorsitzender Osnabrück (ots) - Spionageaffäre: Linke fordert Durchsuchungen von US-Einrichtungen in Deutschland Parteichef Riexinger kritisiert "Duckmäusertum der Bundeskanzlerin" - "Spione sind keine Freunde" Osnabrück. Angesichts der sich ausweitenden Spionageaffäre kritisiert Linken-Vorsitzender Bernd Riexinger die Haltung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als "Duckmäusertum". Zudem fordert er schärfere Maßnahmen gegen die USA. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch) sagte Riexinger: "Wir brauchen eine neue mehr...

  • Neue OZ: Neue OZ - Nachricht zu Monopolkommission/EEG-Reform Osnabrück (ots) - EEG-Reform: Monopolkommission für zügige Einführung des Ausschreibungsmodells Wissenschaftler legen diesen Mittwoch Hauptgutachten vor - Kritik an zahlreichen Regelungen der Reform Osnabrück. Die Monopolkommission stellt der Bundesregierung für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ein durchwachsenes Zeugnis aus. In ihrem neuen Hauptgutachten würdigen die Wissenschaftler die Reform als "Schritt in die richtige Richtung", merken aber an, sie gehe nicht weit genug. In ihrer Untersuchung, aus der mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht