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Landeszeitung Lüneburg: EEG-Novelle bremst die Energiewende / Experte Prof. Dr. Hohmeyer: Gesetzesreform sichert die Profite der großen Energieversorger und Kohlekraftwerke

Geschrieben am 03-07-2014

Lüneburg (ots) - Die große Koalition hat ihre Ökostromreform trotz
heftiger Kritik durchs Parlament gebracht. Aber ob die Novelle des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wirklich am 1. August in Kraft
treten wird, entscheidet sich in den kommenden vier Wochen in
Brüssel. Weil große Teile der Industrie von der Finanzierung der
erneuerbaren Energien ausgenommen sind, muss das Gesetz von der
Kommission der Europäischen Union als Beihilfe gebilligt werden.
Prof. Dr. Olav Hohmeyer von der Uni Flensburg kritisiert die Novelle:
"Mit dieser Gesetzesänderung verspielt Deutschland seine
Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz. Die Glaubwürdigkeit ist dahin."

Angestrebt war mit der Novelle eigentlich auch eine Vereinfachung.
Ist das EEG nun so konzipiert, dass auch Normalbürger noch den
Durchblick haben?

Prof. Dr. Olav Hohmeyer: Nein, das EEG ist durch die Novelle noch
erheblich komplizierter geworden. Für einen Normalbürger ist das
nicht mehr zu durchschauen.

Wird die Idee einer dezentralen Energieerzeugung endgültig
gekippt?

Prof. Hohmeyer: Die EEG-Novelle und speziell die ab 2017 geplante
Umstellung auf ein verbindliches Ausschreibungsmodell verdrängt das
Bürgerengagement komplett aus der Energiewende. Damit ist die
Energieerzeugung in Bürgerhand ab 2017 tot.

Jammert die Industrie zu Recht?

Prof. Hohmeyer: Nein. Die Industrie profitiert weiter auf Kosten
des normalen Stromverbrauchers und der kleinen und mittleren
Unternehmen, die den, durch das EEG, extrem billigen Strom an der
Börse über die EEG-Umlage finanzieren. Auch in Zukunft wird gerade
die energieintensive Industrie auf diesem Weg massiv subventioniert.

Was passiert 2017, wenn der Vertrauensschutz für industrielle
Eigenstrom-Erzeugung ausläuft? Kommt dann der große
Strompreis-Sprung?

Prof. Hohmeyer: Nein, es kommt zu einer Kostenerhöhung für die
industrielle Eigenstromerzeugung, die heute keinerlei
Infrastrukturkosten bezahlt und auch keinen finanziellen Beitrag zur
Energiewende leistet. Hier werden wir eher Preisgerechtigkeit erleben
als den großen Strompreis-Sprung für die Industrie.

War die Grundidee richtig, vorwiegend den Verbraucher die
Energiewende bezahlen zu lassen?

Prof. Hohmeyer: Zunächst war es richtig, die energieintensive
Industrie von Zusatzbelastungen durch die EEG-Umlage freizustellen.
Heute sind wir aber beim Gegenteil angekommen und der Verbraucher
zahlt einen viel zu hohen Anteil der Kosten. Dies kann und muss man
ändern.

Verdient die EEG-Novelle noch das Öko-Label?

Prof. Hohmeyer: Nein, die EEG-Novelle bremst die aus
Klimaschutzgründen notwendige Energiewende und führt durch falsche
Anreize zu einer massiven Ausweitung der Kohleverstromung. Dies hat
mit Umwelt- und Klimaschutz nichts mehr zu tun. Es ist eine Novelle
zur Einkommenssicherung für die großen Energieversorger und zur
Sicherung der langfristigen Wirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken.

Verabschiedet sich Deutschland von seiner Vorreiterrolle in Sachen
Energiewende?

Prof. Hohmeyer: Ja. Deutschland macht hier einen Riesenfehler. Wir
verlieren unsere Vorreiterrolle und verspielen auch gleichzeitig das
Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der deutschen Energie- und
Klimapolitik.

In der Großen Koalition wird schon vom EEG 3.0 gesprochen.
Verspielt die Regierung ihre Verlässlichkeit in der Energiepolitik?

Prof. Hohmeyer: Die Regierung verschlimmert die Sache auch noch
durch die Ankündigung weiterer Reformschritte in die falsche
Richtung. Diese Politik reiht sich nahtlos in den völlig unsinnigen
Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie aus dem Herbst 2010
ein, der dann nach Fukushima gleich wieder kassiert wurde. Auch diese
EEG-Novelle muss in ihrem Kern möglichst bald rückgängig gemacht
werden.

Zeugt das hektische Nachbessern in den vergangenen Wochen, dass
die Zeit einer rein nationalen Energiepolitik zugunsten einer
europäischen beendet werden muss?

Prof. Hohmeyer: Nein, sie zeugt nur davon, dass eine reine
Klientelpolitik zu Gunsten der großen Energieversorger und zu Gunsten
der deutschen Industrie im europäischen Rahmen keinen Bestand haben
wird. Vorreiter in Sachen Energiewende könnten wir in Europa bleiben,
wenn wir nur die richtigen Politiker dafür hätten.

Das Interview führte Joachim Zießler



Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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