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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Katholikentag: Christ trifft Christ von Christine Straßer

Geschrieben am 29-05-2014

Regensburg (ots) - Seit Jahren kommen die Kirchen bei einer
Annäherung nicht voran. Dank Papst Franziskus keimt Hoffnung.

Ein evangelischer Bundespastor und eine evangelische Bundesmutti
sind die Stars auf dem 99. Katholikentag. Das allein ist ein Triumph
über jene separatistischen Kleriker, die von Kirchenspaltung
sprechen, wenn sie Reformation meinen. Diese Kleriker waren pikiert
über einen Youtube-Clip von Papst Franziskus, der im Februar für
Aufsehen sorgte. Gedreht hat die Grußbotschaft ein Bischof der
evangelikalen Pfingstler-Bewegung, der auch ein alter Bekannter des
Papstes aus seiner Zeit in Buenos Aires ist. Die Bilder sind
verwackelt, doch die Botschaft verfängt. Franziskus äußert seinen
Wunsch zur Einheit mit allen Christen und macht die katholische
Kirche für Spaltungen mitverantwortlich. Sensationelle Sätze. So
mancher Vertreter der katholischen Kirche in Rom will wohl auch
deshalb keine Ökumene, weil sonst wieder unbeantwortete Fragen auf
den Tisch kommen, die schon der - damals noch katholische - Mönch
Martin Luther seiner Kirche stellte: Wie viel Obrigkeit verträgt ein
Christ? Was, wenn die Gemeinde anders glaubt als ihre Oberhirten? Es
ist ja nicht so, dass bei Themen wie Frauenpriestertum, Zölibat,
Umgang mit Homosexuellen sowie beim Kirchenverständnis lediglich
Unterschiede zu den protestantischen Kirchen bestehen. Diese
Spannungen bestehen auch innerhalb der katholischen Kirche, sie
zerreißen so manchen Gläubigen innerlich. In Rom gibt es heftigen
Widerstand gegen ein vereintes Nachdenken über die Zukunft des
Christentums und folglich der Welt. Wenn aber Papst Franziskus - wie
er es in den vergangenen Monaten getan hat - die Ökumene mit den
Protestanten und den Orthodoxen stärkt, ohne ihnen wie üblich
Bedingungen zu diktieren, dann wird es schwierig, verfeindet zu
bleiben. Dann kann man gewisse Zukunftsfragen bald nicht mehr
getrennt besprechen: Wie viel Toleranz verträgt der Glaube? Wie viel
politische Deutungsmacht soll die Kirche haben in einem modernen
Staat? Zu sagen, dass ein einfacher Mönch aus Wittenberg die Kirche,
die eine, heilige, gespalten hätte, wäre zu simpel. Sie wurde
gespalten auch vom Hochmut des katholischen Katholizismus, von ihrem
dogmatischem Stolz und dem Anspruch, die einzig wahre Kirche zu sein.
Ein halbes Jahrtausend währt die Kirchenspaltung nun schon, weil im
Wettstreit der Kirchen der Blick auf den Wesenskern verloren gegangen
ist: Eigentlich ist die Kirche der Ort für alle, die an Gott glauben.
Es wird dort geholfen, geheilt, gefeiert und zugehört. Es wird auch
gelogen, hintergangen und missbraucht. Die wenigsten Funktionäre der
Kirche sind Heilige. Kirchen sind nicht der Himmel. Aber Kirchen
sind, wenn es gutgeht, Räume für Barmherzigkeit und Vertrauen. Das
macht sie so bedeutsam. Immer wieder bekräftigen Katholiken und
Protestanten ihr gutes Verhältnis zueinander. Ökumene wird ja längst
gelebt in Familien und in Gemeinden. Doch spricht man mit geistlichen
Würdenträgern, hört man schnell von Schwierigkeiten im Zusammenleben
der Konfessionen. Seit dem Ökumenischen Kirchentag 2010 hat sich
wenig bewegt. Große Schlagzeilen machte die Ökumene zuletzt 2012.
Damals rief eine Gruppe vor allem politisch Prominenter die Parole
"Ökumene jetzt!" aus. Doch der Ruf verhallte weitgehend ungehört.
Dabei gäbe es gute Gründe für die Kirchen, ihre Distanzen zu
überwinden und zusammen christliche Werte zu vertreten. Selbst auf
dem Land fallen nicht mehr diejenigen auf, die der Kirche fern
bleiben, sondern diejenigen, die regelmäßig den Gottesdienst
besuchen. Bleibt das so, gehen die katholische und die
protestantische Kirche in Deutschland vielleicht nur einen
gemeinsamen Weg: den schrumpfender Mitgliederzahlen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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