(Registrieren)

Westdeutsche Zeitung: Türkei - Schattenseiten der Erfolgsgeschichte von Peter Lausmann

Geschrieben am 14-05-2014

Düsseldorf (ots) - Millionen Türken gilt Premierminister Recep
Tayyip Erdogan als der Vater der modernen Türkei, als zweiter
Atatürk. Seit er vor elf Jahren das Ruder übernahm, hat die Türkei
einen Sprung nach vorne gemacht. Die Wachstumsraten sind
beeindruckend, der Aufschwung kommt insbesondere bei den Menschen in
den westlichen Städten sichtbar an. Die meisten beziehen das auf
Erdogan persönlich. Doch wo viel Licht ist, ist auch Schatten - wie
Hunderte tödliche Arbeitsunfälle in den teils maroden Betrieben der
Türkei in jedem Jahr. Im Bergbau ist die Quote rund fünfmal höher als
in anderen Branchen. Das Unglück von Soma unterscheidet sich von
vielen kleineren nur darin, dass es internationale Aufmerksamkeit
erfährt. Und damit wird es auch für Erdogan gefährlich, weil es sein
Bild von der fortschrittlichen Türkei beschädigt. Zwar kann seine
Regierungspartei AKP behaupten, moderne Gesetze zum Arbeitsschutz
verabschiedet zu haben, doch sind diese immer nur so effizient wie
ihre Kontrolleure. Zudem ist die AKP der alten Tradition von
Korruption und abhängiger Justiz in der Türkei verhaftet. Elf Jahre
Dominanz haben das eher verstärkt als gemildert. Entsprechend schnell
kommt jetzt Kritik auf, wonach die AKP zugunsten des Werksbetreibers
Prüfungen verhinderte. Dass Erdogan das Unglück nun als "Alltag"
herunterspielt, verstärkt den Eindruck, dass vieles nicht mit rechten
Dingen zugeht. Es ist diese Selbstherrlichkeit, die die
Erdogan-Gegner wieder auf die Straßen treibt. Zwar hatte ihm die
jüngste Wahl einen großen Sieg beschert und Ruhe verschafft. Doch
Erdogan weiß, dass die Proteste jederzeit wieder eskalieren können.
Deshalb ist er zumindest proforma nach Soma geeilt und hat Aufklärung
versprochen. Denn alles, was der AKP angelastet wird, landet durch
den immensen Personenkult letztlich auch bei ihm. Für Erdogan kann
das gefährlich werden. Da er nicht erneut für das Amt des
Premierministers kandidieren darf, will er sich in diesem Jahr zum
Präsidenten wählen lassen, um an der Macht zu bleiben. Um das
Tagesgeschäft dürfte es ihm dabei aber nicht mehr gehen. Erdogan geht
es um Geschichte und darum, auf einer Stufe mit Atatürk zu stehen.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@wz.de
www.wz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

527559

weitere Artikel:
  • BERLINER MORGENPOST: Die Sache mit dem Glashaus/ Ein Leitartikel von Diana Zinkler Berlin (ots) - Irgendwie "durchgerutscht", einfach "aus dem Auge verloren" und "die Information übersehen" und jetzt natürlich "zutiefstes Bedauern". Was sollen sie auch sonst sagen, die Abgeordneten, deren nicht bezahlte Zweitwohnungssteuer in Berlin nun bekannt geworden ist? Ihre Kommunikationsstrategie - Fehler eingestehen, Fehler wiedergutmachen (also Steuerbetrag sofort nachbezahlen) und hoffen, dass der Wähler die Angelegenheit möglichst schnell vergisst - ist derart durchsichtig, wie sie unverschämt ist. Denn einige dieser mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Mindestlohn im Gastgewerbe Halle (ots) - Im Grunde genommen, geht es wieder einmal um die berühmten zwei Seiten einer Medaille. Einerseits werden Kneipenpreise sicher anziehen, werden auch Jobs verloren gehen, werden sogar Betriebe aufgeben müssen. Andererseits dürften viele Mitarbeiter die Einführung des Mindestlohnes nur als überfällig und gerecht empfinden. Bringt die gesetzliche Neuregelung nun mehr Fluch oder mehr Segen - das bleibt vorerst abzuwarten. Sollten die Folgen des Mindestlohnes aber aus dem Ruder laufen, muss konsequent nachgebessert werden. mehr...

  • Südwest Presse: LEITARTIKEL · NSA-AUSSCHUSS Ulm (ots) - Big Data und Big Brother Als sich die deutsche Netzgemeinde in der vorigen Woche wieder mal in Berlin traf, um über die aktuellen Themen des digitalen Zeitalters zu diskutieren, also über Nutzerfreiheit, Datenschutz und Cyberkriminalität, da war die Ratlosigkeit unter den versammelten Bloggern groß. Einer von ihnen gab die kollektive Gefühlslage der Internetaktivisten mit den Worten zu Protokoll: "Wir haben keine Ahnung, wie wir aus diesem Schlamassel wieder herauskommen." Aus dem Dilemma nämlich, dass die entgrenzte mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zum Fall Peggy Halle (ots) - Es gibt viele Korrekturmöglichkeiten und, so ist zu hoffen, werden in der Regel Fehler auch korrigiert. Wenn dies wie bei Ulvi K. erst Jahre nach der Verurteilung erfolgt, ist das natürlich trotzdem bitter und nicht wirklich eine Erfolgsgeschichte der Justiz. Doch im Großen und Ganzen haben wir ein kluges rechtsstaatliches Justizsystem mit Richtern, die unser Vertrauen verdienen. Menschen in vielen Ländern der Welt beneiden uns darum. Pressekontakt: Mitteldeutsche Zeitung Hartmut Augustin Telefon: 0345 565 4200 mehr...

  • WAZ: Das Revier trauert mit den Kumpeln - Kommentar von Frank Preuß Essen (ots) - Trauer ist nicht messbar, und doch mag das schreckliche Unglück in der Türkei die Menschen im Ruhrgebiet stärker berühren als anderswo. Der Bergbau ist vielen noch sehr nahe, selbst wenn er anderen auch hier schon längst als Relikt vergangener Tage erscheinen muss. Die tränenüberströmten Gesichter harter Männer mit Helmen, in die wir blicken, Zeugen der Katastrophe, sind die Gesichter von Männern, die weit weg sein mögen. Und doch wirken sie uns vertraut in ihrem Leid, als wären es unsere Nachbarn, denen wir gerne mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht