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DER STANDARD - Kommentar: "Die Notbremse kommt zu spät" von Gerald John

Geschrieben am 18-04-2014

Die SPÖ-Führung hätte dem Spardiktat für die Bildung nie
zustimmen dürfen. (Ausgabe vom 19/4/2014)

Wien (ots) - Lehrer, Eltern, Schüler, Landeshauptleute, Experten,
Medien und die eigenen Genossen: Das waren ein bisschen viele Gegner
für eine einzelne Bildungsministerin. Im Bemühen um österlichen
Frieden hat Gabriele Heinisch-Hosek, wohl in Rücksprache mit ihrem
Parteichef, deshalb die Notbremse gezogen und ihre Sparpläne erst
einmal abgeblasen. Sie fängt damit wieder am Anfang an: Auf diversen
Gipfeln will sie sich nun gemeinsam mit den Kritikern auf die Suche
nach den vom Nulldefizit geforderten Millionen machen. Das hätte die
SPÖ billiger haben können als über den Umweg gnadenloser
Selbstbeschädigung. Kürzungen in den ohnehin schon kurz gehaltenen
Schulen: So etwas kann einer Partei, die seit 125 Jahren und
besonders forsch im Wahlkampf den Wert von Bildung predigt, nur im
Zustand politischer Umnachtung einfallen. Die sozialdemokratische
Führung hat mit Bravour nachgeahmt, was der Koalitionspartner ÖVP mit
seiner von Unternehmerbelastung gefolgten Entfesselungskampagne
vorexerzierte: den gezielten Schuss ins eigene Knie. Die Ausrede,
dass doch der böse Finanzminister schuld sei, zählt nicht. Natürlich
zeugt es von eher schlichtem Amtsverständnis, dass Michael
Spindelegger im Ressort mit dem größten Gestaltungspotenzial nichts
Klügeres anstellt, als mit der Sense über die Budgets aller Ressorts
einheitlich drüberzusäbeln. Doch die rote Regierungshälfte hat den
Sparvorgaben auf Euro und Cent zugestimmt - auch wenn Werner Faymann,
den Schweigekanzler reloaded, all das nun nichts mehr anzugehen
scheint. Heinisch-Hosek hat mit ihrem Rückzieher eine Atempause
erreicht, mehr aber schon nicht. Die vereinbarten 117 Millionen muss
sie ja weiterhin einsparen - und die Bildung bleibt dafür der falsche
Ort. Die Ministerin kann lange mit den Ländern und den Schulpartnern
reden, ohne Qualitätsverlust wird sie die Summe nicht
zusammenkratzen. Das zu 92 Prozent von Personalkosten aufgefressene
Budget lässt kaum Spielraum offen, und der stets beschworene
Bürokratieabbau verspricht kein schnelles Geld. Bestenfalls wird
Heinisch-Hosek das Leiden lindern können - wenn überhaupt. Die
heimischen Schulen brauchen aber nicht nur kein Sparpaket, sondern
massive Investitionen. Für diese Erkenntnis braucht man keine Studien
zu wälzen, die Leseschwächen als Breitenphänomen outen, dafür reichen
Erfahrungsberichte von Eltern und Lehrern. Vor allem an vielen
Pflichtschulen herrscht Überforderung, es fehlen Raum, Mittel und
Personal. Wollte die Republik - ein Gebot der Stunde -
Ganztagsschulen einrichten, die diesen Namen verdienen, müsste sie
Lehrer en masse einstellen. In den vergangenen Jahren hat die
Regierung da und dort ein Schäuferl draufgelegt, eine echte
"Bildungsoffensive" fand aber nur in der rot-schwarzen PR statt:
Schon der alte Budgetplan, der nun verschärft werden soll, sah real
stagnierende Ausgaben vor. Dass auch Landeshauptleute aus SPÖ und ÖVP
darauf pochen, in den Staatsausgaben von 158 Milliarden geeignetere
Posten zum Sparen als die Schulen zu suchen, gibt wenig Hoffnung.
Beim Durchpeitschen von Budgetbeschlüssen blickt die Koalition auf
eine lange Tradition zurück - und die Weichen sind gestellt. Nimmt
Kanzler Faymann die von ihm propagierten Werte ernst, hätte er eines
schon vor Wochen machen müssen: die Sparvorgaben für die Bildung
ablehnen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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