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ROG-Bericht "Feinde des Internets": Behörden im Zentrum von Überwachung und Zensur

Geschrieben am 12-03-2014

Berlin (ots) -

Sperrfrist: 12.03.2014 00:05
Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat den US-Geheimdienst NSA und dessen
britisches Pendant GCHQ in die Liste der "Feinde des Internets"
aufgenommen. Das geht aus dem gleichnamigen ROG-Bericht hervor, den
die Organisation zum Welttag gegen Internetzensur an diesem 12. März
veröffentlicht. Insgesamt benennt er 32 Behörden und Institutionen
weltweit, die eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung kritischer
Stimmen und unerwünschter Informationen im Internet spielen:
Geheimdienste und Ministerien, aber auch Internetanbieter und
Regulierungsbehörden einiger Länder. Damit lenkt der Bericht den
Blick auf die oft wenig bekannten Bürokratien im Zentrum staatlicher
Überwachungs- und Zensurapparate.

"Die zentrale Rolle von Behörden wie der NSA und dem GCHQ bei der
flächendeckenden Überwachung von Millionen Menschen wiegt umso
schwerer, als sie jeder westlichen Kritik an autoritären Staaten wie
China, Saudi-Arabien oder Turkmenistan den Wind aus den Segeln
nimmt", sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp in Berlin.
"Wer selbst massenhaft Bürger ausspäht, kann andere Regierungen kaum
glaubwürdig zu mehr Achtung der Informationsfreiheit im Internet
drängen."

Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden haben
offengelegt, wie NSA und GCHQ vorsätzlich Sicherheitslücken in
Software und IT-Infrastruktur eingeschleust und an Knotenpunkten des
Internets die Kommunikation von Millionen unbescholtener Bürger
abgefangen haben. Damit haben diese Geheimdienste das Internet
zulasten von Menschenrechten wie Privatsphäre, Meinungs- und
Pressefreiheit in ein Werkzeug überbordender Sicherheitsapparate
verwandelt.

Weitere Feinde des Internets sind etwa Russlands
Inlandsgeheimdienst FSB, Irans Oberster Rat für den Cyberspace und
Chinas Internetinformationsamt, das die Zensurrichtlinien der
Regierung in Peking entwirft. Ebenso stehen die äthiopische
Netzwerksicherheitsbehörde INSA oder der staatliche turkmenische
Telefon- und Internetanbieter TurkmenTelecom auf der Liste - allesamt
Institutionen, deren Befugnisse im Laufe der Zeit weit über ihre
legitimen Kernaufgaben hinaus ausgeweitet worden sind. Auf der
Strecke bleiben dabei regelmäßig die Vertraulichkeit der Recherchen
von Journalisten und Bloggern sowie der Schutz ihrer Informanten.

Dass gegen solche Entwicklungen auch Institutionen demokratischer
Staaten nicht immun sind, die sich traditionell als Vorreiter beim
Schutz bürgerlicher Grundrechte verstehen, zeigt neben NSA und GCHQ
das Beispiel des indischen Centre for Development of Telematics, das
im Regierungsauftrag zentrale Teile der staatlichen
Überwachungsmaschinerie auf dem Subkontinent entwickelt hat. Doch
auch Geheimdienste wie der Bundesnachrichtendienst und der
französische Auslandsgeheimdienst DGSE, die selbst nicht auf der
Liste der Feinde des Internets stehen, überwachen den Internetverkehr
und arbeiten dabei etwa mit der NSA zusammen.

ÜBERWACHUNGSMESSEN ALS HANDELSPLÄTZE DER ÜBERWACHUNGSINDUSTRIE

Erstmals zählt ROG in diesem Jahr auch drei internationale
Überwachungsmessen zu den Feinden des Internets: ISS World,
Technology Against Crime und Milipol. Sie bringen die Behörden
repressiver Staaten wie Saudi-Arabien, Äthiopien und Belarus mit
Anbietern von Überwachungstechnologie zusammen - Firmen wie Hacking
Team, Gamma International oder Blue Coat, deren Rolle ROG in seinem
letztjährigen Internetbericht in den Vordergrund stellte
(http://surveillance.rsf.org/en/). Als Feinde des Internets firmieren
diese Messen stellvertretend für die Rolle privatwirtschaftlicher
Unternehmen bei der weltweiten Überwachung und Zensur des Internets.

Neben solchen Unternehmen stellen auch einige Staaten ihre
Überwachungstechnologien anderen Ländern zur Verfügung. Russland etwa
hat sein Spähprogramm Sorm (http://bit.ly/1gBJkqm) in Nachbarstaaten
wie Belarus exportiert, wo Internetanbieter per Dekret zu seinem
Einsatz gezwungen werden. China berät iranische Institutionen bei
ihrem Versuch, ein nationales, vom weltweiten Netz abgeschottetes
Internet unter vollständiger Regierungskontrolle aufzubauen.

Überwachung und Zensur sind in solchen Fällen oft eine direkte
Reaktion auf die zunehmend wichtige Rolle von Bloggern,
Bürgerjournalisten und Online-Medien für den Kampf gegen
unterdrückerische Regime. Denn oft sind es gerade diese Stimmen, die
Tabus und unliebsame Informationen in ihren Ländern zur Sprache
bringen und die Lücken füllen, wo konventionelle Medien längst zum
Schweigen gebracht wurden.

In Ländern wie Syrien, Vietnam, Turkmenistan und Bahrain ist die
staatliche Hoheit über die Internet-Infrastruktur ein wichtiger
Faktor für die Kontrolle von Online-Informationen. In Syrien und im
Iran etwa wird das Internet immer wieder stark gedrosselt, um bei
Demonstrationen die Verbreitung von Bildern zu erschweren. China,
Syrien und Sudan haben den Internetverkehr in ihren Grenzen
verschiedentlich vorübergehend ganz gestoppt, um die Verbreitung
kritischer Informationen zu verhindern. Andere Länder zwingen
Internetanbieter, unerwünschte Inhalte aus dem Internet zu filtern
oder bestimmte Webseiten zu blockieren.

Auch Gesetze dienen oft als Instrumente der Internetzensur. Ein
Beispiel ist das "Dekret 72", das in Vietnam seit dem vergangenen
September die Verbreitung von Nachrichten oder Kommentaren zum
Zeitgeschehen in Blogs und sozialen Netzwerken verbietet. Ein
weiteres beliebtes Mittel der Zensur ist eine Lizenzpflicht für
Nachrichtenwebseiten. Sie erlaubt etwa den Behörden Usbekistans und
Saudi-Arabiens, von vornherein nur handzahme Onlinemedien
zuzulassen.

DIGITALE GRUNDRECHTE WIRKSAM SCHÜTZEN

Angesichts solcher Bestrebungen fordert ROG Regierungen in aller
Welt auf, uneingeschränkten Internetzugang und den Schutz
persönlicher Daten wirksam als Grundrechte zu schützen - nicht
zuletzt vor dem beliebigen Zugriff von Sicherheitsbehörden und
Geheimdiensten. Staatliche Maßnahmen der Kommunikationsüberwachung
dürfen nur aufgrund von Gesetzen und für rechtmäßige Ziele eingesetzt
werden. Sie müssen nachweislich notwendig, angemessen und bei
sorgfältiger Abwägung gegen die Schwere des Eingriffs in Privatsphäre
und Meinungsfreiheit verhältnismäßig sein. Ferner müssen sie
demokratischer Kontrolle unterworfen werden (http://bit.ly/IR3Ma4).
Exporte von Überwachungstechnologie müssen ebenso wie andere "Dual
Use"-Güter kontrolliert werden. Firmen, die solche Technologien in
repressive Staaten an notorische Menschenrechtsverletzer liefern,
müssen strafrechtlich verfolgt werden.

+++ SPERRFRIST: 12. März 2014, 00:01 Uhr (frei für
Mittwochsausgaben) +++

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

- Internationale ROG-Seite mit dem vollständigen Bericht "Feinde
des Internets 2014": http://12march.rsf.org (auf Englisch; wird
am 12. März um Mitternacht freigeschaltet)
- Vollständiger ROG-Bericht "Feinde des Internets 2014" als PDF
(auf Englisch): http://bit.ly/1ghpamA
- Weltkarte der Internetzensur: http://bit.ly/1ivj0hz
- Frühere Berichte über die Feinde des Internets:
http://bit.ly/1oGnh3r
- Internationale Grundsätze für die Anwendung der Menschenrechte
in der Kommunikationsüberwachung: http://bit.ly/IR3Ma4
- ROG-Stellungnahme zu Exportkontrollen für
Überwachungstechnologie: http://bit.ly/1elRhNh



Pressekontakt:
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29


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