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Schwäbische Zeitung: Freispruch für einen Glücklosen - Leitartikel

Geschrieben am 27-02-2014

Ravensburg (ots) - Wohl dem Land, das es sich leisten kann und
leistet, ein mehrere Millionen Euro teures Strafverfahren konsequent
zu Ende zu bringen. Ein Verfahren, bei dem es um eine Vorteilsannahme
im Wert von rund 700 Euro geht. Kann es denn einen prächtigeren
Beweis dafür geben, dass der Rechtsstaat funktioniert? Die Antwort
muss lauten: Der Fall des glücklosen Ex-Präsidenten Christian Wulff
ist denkbar schlecht geeignet, den Justizorganen ein Zeugnis
auszustellen. Weder ein gutes noch ein schlechtes. Alle Beteiligten
haben - in größtmöglicher Verkrampfung - das getan, was sie tun
mussten, um quasi sauber aus der Sache herauszukommen. Die
Staatsanwälte haben ordnungsgemäß verfolgt und angeklagt. Das Gericht
hat ordnungs- und erwartungsgemäß freigesprochen. Der Angeklagte
sieht seine Ehre wiederhergestellt. Und die Öffentlichkeit nickt
erleichtert, weil sie nicht weiter behelligt wird mit Details, deren
Belanglosigkeit im Prinzip schon vor Prozessbeginn klar war.

Also alles eine große, teure Farce? Nein. Aus zwei Gründen war
dieser Prozess wohl doch notwendig. Erstens: Christian Wulff hatte
einen Anspruch darauf, alles wiegen zu lassen, was gegen ihn
vorgebracht worden war. Zweitens: Der Staat hatte einen Anspruch
darauf, dass sein höchstes repräsentatives Amt rückwirkend von
Schmutz - in Form strafrechtlicher Verdächtigungen - gereinigt wurde.
Das mag pathetisch klingen, passt aber ganz gut zu der oft zitierten
Würde des Amtes.

Damit stellt sich die Frage, ob diesem Christian Wulff alles in
allem großes Unrecht widerfahren ist. Und: Ob er ein Opfer der Medien
geworden ist. Und schließlich: Ob sein Rücktritt nicht doch übereilt
war. Alle Fragen kann man guten Gewissens mit nein beantworten. Für
all die halbseidenen Verdächtigungen hat er selber den Anlass
gegeben. Daraus entstand eine mediale Eigendynamik, die man beklagen
kann, die aber in dieser Gesellschaft zwangsläufig ist. Fazit: Es ist
gut, dass Christian Wulff strafrechtlich entlastet ist. Es ist aber
auch gut, dass sein Nachfolger Joachim Gauck heißt.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de


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