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Schwäbische Zeitung: Anregende Einmischung - Leitartikel

Geschrieben am 14-01-2014

Ravensburg (ots) - Das Unwort, dies sei vorausgeschickt, ist
selber ein sprachliches Ungetüm. Und es wirft ein schräges Licht auf
das entsprechende Feingefühl der Gesellschaft für deutsche Sprache,
wenn sie keinen passenderen Begriff für das findet, was sie
alljährlich anprangert. Gemeint ist ein sprachlicher Missgriff,
welcher sich in die politische und gesellschaftliche Diskussion
eingeschlichen hat. Ein Missgriff, der das Zeug hat, zu verschleiern,
zu verharmlosen, zu polemisieren, immer unterlegt mit aggressiver
oder zynischer Tücke.

Jetzt ist also der Sozialtourismus zum sprachlichen Sündenfall des
Jahres erhoben worden. Die Wahl bedeutet selbstverständlich eine
Einmischung in die brandaktuelle Zuwanderungsdiskussion. Eine
anregende Einmischung ist das, eine bekömmliche also. Der Begriff
suggeriert Folgendes: Fröhlich machen sich beispielsweise in Rumänien
oder Bulgarien Touristen auf den Weg nach Deutschland. Sie wollen
hier aber nicht Urlaub machen, sondern schmarotzend das Sozialsystem
ausbeuten. Und weil mit Tourismus immer ein Massenphänomen gemeint
ist, kommen nicht Individualtouristen, sondern Scharen dieser
bedrohlichen Spezies.

Schlimm ist nicht, dass ein solches Szenario mit der Realität
nichts zu tun hat und nie etwas zu tun haben wird. Schlimm ist das
Verschleiernde, unterschwellig Polemisierende des Begriffs
Sozialtourismus. Er blendet aus, dass die allermeisten Menschen, die
speziell aus Osteuropa zugewandert sind, und die künftig zuwandern
wollen, hier Arbeit gefunden haben oder Arbeit finden werden. Ärzte,
Krankenschwestern, Altenpflegerinnen beuten das deutsche Sozialsystem
nicht aus, sie stützen es. Wenn man diesen Menschen überhaupt einen
Vorhalt machen wollte, dann den, dass sie in ihrer Heimat fehlen oder
fehlen werden.

Zum Missbrauch wäre anzumerken: Den hat es immer schon gegeben. Er
lässt sich auch in Zukunft nicht ausschließen. Aber erstens dürften
die urdeutschen Betrüger gegenüber den zugewanderten deutlich in der
Überzahl sein, und zweitens kann sich der Staat wehren.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de


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