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Lausitzer Rundschau: Warum malt Woidke das BER-Aufsichtsratsdebakel schön? / Der kleine Sündenfall

Geschrieben am 13-12-2013

Cottbus (ots) - Es ist der Klassiker: Ein Politiker erreicht eine
besondere Stellung. Er wird Bürgermeister, Landrat oder
Ministerpräsident. Endlich kann er beweisen, dass es anders geht.
Jetzt kann er jenen Politiker-Typus verkörpern, der so dringend
gebraucht und von vielen Menschen ersehnt wird: aufrichtig,
geradeaus, unabhängig. Dann muss er erste Entscheidungen treffen. Im
Dickicht der Interessenkonflikte zerfließt die klare Meinung und es
purzeln die ersten Kompromisse heraus, die nicht mehr ganz mit seinen
eigenen Überzeugungen übereinstimmen. Noch nichts, was ihn verbiegt.
Nur erste kleine Abweichungen von der eigenen Meinung, kleine
Beugungen oder Halbwahrheiten, um andere zu überzeugen oder die
öffentliche Meinung zu beeinflussen. Hier und da auch schon mal eine
klitzekleine Lüge, denn es geht ja um ein höheres Ziel. Das ist der
traurige Beginn einer typisch deutschen Politikerlaufbahn. Am Anfang
tut das den meisten ein bisschen weh. Aber man gewöhnt sich dran.
Muss man ja. Denn die Wahrheitsbeugungs-Übungen nehmen im Lauf der
Amtszeit meistens zu. Von der Abstraktion ins wahre Leben: Berlins
Regierender Bürgermeister Wowereit hat als Aufsichtsratsvorsitzender
des Megaunternehmens Großflughafen versagt. Deshalb hat er seine
Verantwortung abgeben müssen. Inzwischen ist der Posten wieder
vakant, und weil sich offenkundig kein halbwegs geeigneter Fachmann
findet, der bei diesem Pannen-Unternehmen noch die Aufsicht führen
will, soll es Wowereit wieder machen. Absolut nachvollziehbar und
ehrlich ist die Entscheidung des Platzeck-Nachfolgers Dietmar Woidke,
kein Aufsichtsratsvorsitzender werden zu wollen. Er muss sich erst
einmal in die Aufgaben eines Ministerpräsidenten hineinfinden - dort
gibt es genug zu tun. Etwas nicht tun zu wollen, ist das eine. Aber
daraus ergibt sich nicht notwendigerweise der Zwang, Wowereit eine
"sehr gute Arbeit" für jene Zeit zu bescheinigen, wo er schon einmal
Aufsicht führte. Das entspricht nämlich nicht der Wahrheit. Dennoch
hat Woidke eben diese Worte gewählt. In dieser Überschwänglichkeit.
Warum? Viele Antworten sind vorstellbar, aber eine kaum: Dass Woidke
selbst daran glaubt, was er sagt. Vielleicht fühlte er sich
gezwungen, Wowereit in den Himmel zu loben, weil er selbst keine
Alternative sieht - und er selbst es ja auch nicht tun will.
Vielleicht hat Woidke auch nur deshalb so formuliert, weil es sich im
Politikbetrieb "so gehört". Wie auch immer: Diese kleine Äußerung, an
die sich schon morgen kaum noch jemand erinnert, ist so ein kleiner
Sündenfall. So eine Wahrheitsbeugung. Es sei denn, Ministerpräsident
Woidke denkt tatsächlich so. Das aber wäre eine erschreckend falsche
Einschätzung der Historie.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


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