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"Gefährliche Stagnation im Osten" von Eric Frey

Geschrieben am 20-11-2013

Die Strukturprobleme der Nachbarstaaten könnten Österreich
schwer belasten - Ausgabe vom 21.11.2013

Wien (ots) - Während sich Politiker und Medien mit Budgetlöchern
und Sonderpensionen beschäftigen, droht der österreichischen
Wirtschaft von anderer Seite größeres Ungemach. Die unsichere
wirtschaftliche Lage in Mittel- und Osteuropa und die immer
düstereren langfristigen Aussichten gefährden eine der Säulen der
heimischen Prosperität. Ohne die Expansion seiner Unternehmen in die
einst so attraktiven Märkte der exkommunistischen Reformstaaten würde
Österreich lang nicht so gut dastehen wie heute. Wenn aber die
ökonomische Aufholjagd der immer noch ärmsten Region Europas ins
Stocken gerät, wie es die Osteuropabank EBRD in ihrem jüngsten
Bericht voraussagt, dann wird es auch für Österreich schwer, höheres
Wachstum und neue Arbeitsplätze zu schaffen - gar nicht zu sprechen
von den Risiken für den Bankensektor, der im Osten so stark engagiert
ist. Die Probleme in der Region schwelen schon seit Jahren. Die
Weltfinanzkrise hatte mit Osteuropa zunächst wenig zu tun. Aber die
Länder dort sind stark von Geldern aus dem Ausland abhängig, und nach
2008 sind die Kapitalflüsse beinahe versiegt. Dadurch stocken die
Investitionen und der private Konsum. Das Wachstum ist zwar immer
noch höher als im Westen, aber für Länder mit so viel Nachholbedarf
enttäuschend schwach. Eine konsequente Reformpolitik zum Wegräumen
der letzten Reste der Planwirtschaft könnte das Wachstum zumindest
mittelfristig wieder ankurbeln, aber hier ist die Ernüchterung am
größten. Die Bereitschaft zum tiefgreifenden Wandel hat in den
meisten Nachbarländern in den vergangenen Jahren stark nachgelassen,
die Politik wird immer mehr von mächtigen Interessengruppen und einer
breiten Masse bestimmt, die zwar wenig hat, aber dies mit allen
Mitteln verteidigt. In Ungarn ist ausländer- und
unternehmensfeindlicher Populismus offizielle Regierungspolitik.
Selbst in Polen, das die Krise der vergangenen Jahre am besten
gemeistert hat, machen sich das vorsichtige Vorgehen der Regierung
von Premier Donald Tusk und die wachsende Abneigung der Bevölkerung
gegen Strukturveränderungen beim Wachstum negativ bemerkbar. Der neue
Finanzminister Mateusz Szczurek weiß wohl, was notwendig wäre, um die
Wirtschaft zu beleben, aber ob der 38-jährige Bankökonom das
politische Talent hat, dies auch durchzusetzen, ist zweifelhaft.
Grund zur Hoffnung geben noch am ehesten zwei Staaten, die bisher als
Inbegriff der Stagnation galten. Die Ukraine und Serbien drängen -
bei allen internen Widerständen - in Richtung Europa, und ihre
Strukturen sind noch so verkrustet, dass selbst kleinere Reformen
große Wirkung zeigen können. Aber die gesamte Region läuft zunehmend
Gefahr, in jene "Mittlere-Einkommen-Falle" zu laufen, die Experten
auch für Schwellenländer wie China und Brasilien voraussagen: Mit
ausländischem Kapital, politischer Stabilität und einigen
Reformbemühungen wird eine erste Entwicklungsstufe erreicht, die
einer Mittelschicht einen gewissen Wohlstand ermöglicht. Aber vor dem
Sprung zum hochentwickelten Industrieland kommt das Wachstum zum
Erliegen. Ein anhaltendes scharfes Wohlstandsgefälle an den
Ostgrenzen würde Österreich auch vor große politische und soziale
Probleme stellen. Was in nächster Zeit bei den Nachbarn geschieht,
mag für das Land wichtiger sein als alle Koalitionsverhandlungen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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