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"DER STANDARD"-Kommentar: "Österreich, ein Staat von gestern" von Irene Brickner

Geschrieben am 18-11-2013

Warum man hierzulande über Doppelstaatsbürgerschaften nicht
ernsthaft diskutiert (ET 19.11.2013)

Wien (ots) - Mit der Erkenntnis, dass man in den vergangenen
Jahrzehnten zur Einwanderungsgesellschaft geworden ist, tut man sich
in ganz Europa nicht leicht. Aber in Österreich, diesem kleinen Land
dem Erdteil inmitten, das schon aufgrund seiner geografischen Lage
zur Aufnahme von Migranten prädestiniert ist, erscheint die Situation
besonders vertrackt - wie sehr, zeigt etwa der Umgang mit dem Thema
Doppelstaatsbürgerschaften.

Hierbei, das kann man ohne Übertreibung sagen, handelt es sich um
eine Frage mit Zukunftsrelevanz.

18,3 Prozent aller in Österreich lebenden Menschen sind entweder
selbst im Ausland geboren oder deren Kinder sind es. Jene unter
ihnen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen,
bleiben Außenseiter: So, wie das Wahlrecht derzeit funktioniert, sind
sie von politischer Mitbestimmung großteils ausgeschlossen. Die
Entscheidung wiederum, ihre frühere Staatsbürgerschaft zurückzulegen,
fällt ihnen oft schwer. Nicht zuletzt, weil sie in diesem Fall im
Herkunftsstaat oftmals wichtige Rechte zu verlieren drohen.

Diesen Menschen den alten Pass nicht wegzunehmen und ihnen den
neuen, österreichischen trotzdem zu geben, würde derlei Konflikte
vielfach beenden. Es würde aus Außenseitern demokratisch voll
legitimierte Bürgerinnen und Bürger machen: zum Wohle der
repräsentativen Demokratie, deren Aushöhlung in diesen Jahren von
vielen Beobachtern befürchtet und beklagt wird.

Doch all diese Argumente scheinen unter den politischen
Repräsentanten Österreichs wenig Überzeugungskraft zu besitzen. Mehr
Toleranz für Doppelstaatsbürgerschaften ist hierzulande derzeit kein
Thema: Während im Nachbarstaat Deutschland die Koalitionsverhandler
CDU/CSU und SPD darum ringen, Menschen mit ausländischen Wurzeln zeit
ihres Lebens als erkennbaren Teil der Gesellschaft zu akzeptieren,
und ihnen alle Rechte als Einheimische zu gewähren, herrscht bei
ihren alpenländischen Konterparts SPÖ und ÖVP diesbezüglich Schweigen
im Walde.

Warum das? Erstens, weil die Diskussion in Österreich noch lange
nicht so weit gediehen ist wie im Nachbarstaat. Das hat mit den
vorherrschenden politischen Mehrheiten zu tun: Auch in Deutschland
wäre die nunmehr als zu einschränkend kritisierte Optionslösung ohne
entsprechende "linke", rot-grüne Koalition niemals beschlossen
worden.

Diese hatte in Deutschland 1998 Fakten geschaffen, über Einwände
von konservativer Seite hinweg. Über Vorbehalte, wie sie die
Diskussion in Österreich nach wie vor bestimmen - obwohl sie aus
einer Zeit stammen, in dem in Europa der Nationalstaat, und nicht wie
heute die Europäische Union, das weiterführende politische
Organisationsprinzip war.

Damals, vom 19. Jahrhundert bis hinein in die zweite Hälfte des
20. Jahrhunderts, schien der Nationalstaat am besten geeignet, die
Loyalität seiner Bewohner zu garantieren: eine Loyalität zum Staat
und der Gesellschaft, deren Schwinden in Österreich offenbar im Fall
von mehr Doppelstaatsbürgerschaften befürchtet wird.

Doch führt heutzutage nicht genau das Gegenteil zu mehr
gesellschaftlicher Desintegration? Dann, wenn Einwanderer mangels
breiten Doppelstaatsbürgerschaftsmodells lebenslang Ausländer
bleiben? Darüber gelte es auch hierzulande zu diskutieren.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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