(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Regierunsgbildung: Die Woche der Entscheidung von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 13-10-2013

Regensburg (ots) - Die Würfel, ob Deutschland künftig Schwarz-Rot
oder vielleicht doch Schwarz-Grün regiert wird, fallen jetzt.

Zu den Grundregeln beim Pokern gehört, das eigene - gute oder
schlechte - Blatt ohne sichtbare Regung in der Hand zu behalten. Wer
zu viel und zu schnell Preis gibt, was er hat, ist auf Dauer nicht
erfolgreich. Nun sind Koalitionsgespräche, oder auch nur
Sondierungen, keine Pokerrunden. Doch ein wenig von den Grundregeln
des Kartenspiels beherrschen auch die Koalitionäre in spe, die sich
heute und morgen am Verhandlungstisch wieder sehen. Das gilt für alle
Beteiligten. Für die Schwarzen, die zwar bei der Wahl vor drei
Wochen, "Mutti" Merkel sei dank, ordentlich zulegten, aber dennoch
einen Partner zum Regieren brauchen. Für die Roten von der SPD, die
mit einem unglücklichen Kandidaten, der fast in der Versenkung
verschwunden ist, nur mäßig besser abschnitten als vor vier Jahren.
Für die Grünen, die nach Wahldesaster mit alter abgehalfteter und
neuer Führung zugleich recht kopflos antreten. Das Pokern hat längst
begonnen. Auffällig im Lager von CDU und CSU ist seit Donnerstag, wie
flott den Merkel, Seehofer und Co. Schwarz-Grün über die Lippen geht.
Die Ökopartei, die zuletzt mit kräftigen Steuererhöhungen, platten
Ernährungsvorschriften oder dem kriminellen Sexualleben einiger
altvorderer Mitglieder die Wähler verschreckte, scheint plötzlich
wieder salonfähig. Selbst der CSU-Chef, der eigentlich schon beim
Gedanken an die Grünen und ihren linken Vorturner Jürgen Trittin
Pickel bekommen müsste, hat Kreide gefressen und lobt die
Professionalität der Ökopartei. Dass der neue aus Bayern kommende
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter Fehler seiner Partei einräumt,
gehört offenbar auch zum Koalitionspoker. Die Union hält das grüne
Blatt noch fest in der Hand, wohl auch um den roten Mitspielern zu
si-gnalisieren: Wir könnten auch anders. Schaut man auf die
inhaltlichen schwarz-grünen Schnittpunkte, wird jedoch rasch klar,
ein Regierungsbündnis aus Union und der verbürgerlichten Ökopartei
ist zu schwachbrüstig. Könnte man sich beim Mindestlohn vielleicht
noch verständigen, käme es in der Industrie- und Umweltpolitik ganz
dick. Und in der Flüchtlingspolitik liegen Welten zwischen einer
Claudia Roth und einem Hans-Peter Friedrich. Dem CSU-Innenminister
würden die Grünen nur bei völliger Aufgabe ihrer Selbstachtung eine
zweite Amtszeit einräumen. Freilich ist es auch noch etwas zu früh,
bereits jetzt alles auf die schwarz-rote Karte zu setzen. Die großen
Hürden liegen noch vor Union und SPD. Auch wenn man sich beim
Mindestlohn wohl auf einen Formelkompromiss wird retten können.
Selbst bei der Energiewende liegen die traditionell Kohle- und
Industrie-freundliche SPD und die Union nicht meilenweit getrennt.
Spannender werden da schon die Finanz- und Haushaltspolitik. Die
Sozialdemokraten haben zumindest bereits etwas Beinfreiheit bei den
eigentlich verlangten Steuererhöhungen signalisiert. Sollte der Bund
auch ohne höheren Spitzensteuersatz genügend Geld einnehmen, um
bessere Bildung, höhere Mütterrenten, mehr Kita-Plätze und sanierte
Brücken und dergleichen mehr zu bezahlen, wäre es auch recht. Selbst
beim heiß umkämpften Betreuungsgeld, dem Lieblingskind der CSU,
scheint eine Brücke denkbar. Entweder man gibt die Sozialleistung in
die Hände der Länder oder vereinbart eine Überprüfung in zwei Jahren.
So oder so müssen diese Woche die Karten insoweit aufgedeckt werden,
dass klar wird, wer mit wem im Bund künftig zusammenspielen will.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

490851

weitere Artikel:
  • Badische Neueste Nachrichten: Berlin ist gefordert Karlsruhe (ots) - Die Bundeswehr hat ihr Feldlager Kundus, ihre Außenstelle in der gefährlichsten von deutschem Militär betreuten afghanischen Provinz, vor einer Woche mit einer durchaus würdigen Zeremonie geschlossen. Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis die deutschen Soldaten auch ihren Stützpunkt Masar-i-Sharif verlassen und sich ganz aus dem Land am Hindukusch verabschieden. Allen Anstrengungen der Deutschen und ihrer Alliierten zum Trotz wagt niemand die Vorhersage, es werde ein politisch und wirtschaftlich stabiles mehr...

  • Westfalenpost: Es droht ein böses Erwachen Von Wilfried Goebels Hagen (ots) - Jeder Zweite Unter-30-Jährige hat Angst, später pflegebedürftig zu werden. Über den drohenden Pflegenotstand wird viel palavert, ein zukunftsfähiges Konzept für die Versorgung der älter werdenden Bevölkerung aber fehlt. Die Warnung, dass wir sehenden Auges in die Katastrophe laufen, ist begründet. Die Demografie wird zu einer der größten Herausforderungen für die Politik. Es geht eben um mehr als die Rente mit 67 oder den absehbaren Facharbeitermangel. Die akute Frage lautet: Wie sichern wir bei angespannten Finanzen mehr...

  • Westfalenpost: Europa muss sich öffnen Von Joachim Karpa Hagen (ots) - Wir sind so satt. Wir beklagen Übergewicht. Wir werfen tausende Tonnen Lebensmittel weg. Wir gehören auf dem Globus zu den Reichen. Zu den guten Nachrichten gehören die schlechten: Alle zehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren. Es verhungert. Bundespräsident Joachim Gauck hat gestern Abend zum Auftakt der Woche der Welthungerhilfe daran erinnert und dazu aufgefordert, in den Bemühungen gegen Hunger und Armut nicht nachzulassen. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Bilder der Toten vor der Küste Lampedusas mehr...

  • Rheinische Post: Nach Bundesländer-Schulvergleich: NRW will von Ostdeutschland lernen Düsseldorf (ots) - Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sieht Handlungsbedarf angesichts des schlechten Abschneidens nordrhein-westfälischer Schüler beim Bundesländer-Vergleich in Mathematik und Naturwissenschaften. "Die Ergebnisse können uns nicht zufriedenstellen", sagte Löhrmann der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagausgabe): "Weitere Anstrengungen sind erforderlich." Sie nannte die Bereiche Unterrichtsentwicklung und Lehrerfortbildung. Zum guten Abschneiden der ostdeutschen Schüler mehr...

  • Rheinische Post: Landesregierung setzt weiter auf Provinzial-Fusion Düsseldorf (ots) - Trotz der Absage des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) an eine Fusion der beiden NRW-Provinzial-Versicherungen hält die Landesregierung in Düsseldorf weiterhin an ihrer Forderung nach einer Einigung fest. Ein Regierungssprecher sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagausgabe): "Die Gespräche gehen weiter. Die Eigentümer sind auch weiterhin am Zug, eine Lösung zu finden. Wir werden den Prozess weiterhin unterstützend begleiten." Als sich ein Einstieg des Münchner Allianz-Konzerns mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht