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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Großen Koalitionen

Geschrieben am 07-10-2013

Bielefeld (ots) - Das eine alles entscheidende »Kleine Handbuch
praktischer Politik« steht in keinem Buchkatalog. Dabei trägt es
mancher in Berlin gerade jetzt unter dem Arm. Die Sondierungen für
neue Bündnisse haben erst begonnen, aber schon wird fleißig in
besagtem Büchlein geblättert. Wem nützt welcher Winkelzug? Welche
Erfahrungen wurden in dieser oder jener Konstellation gesammelt? Gut
so. Man sollte genauer nachlesen. Denn eine Reihe von politischen
Irrtümern geistert durch die Republik, die dringend klargestellt
gehört. Weil Sigmar Gabriel im Frust einer Wahlnacht behauptete,
Angela Merkel habe schon einen Koalitionspartner ruiniert, sind
gleich mehrere Hinweise wichtig: Neben der FDP 2013 ging auch die SPD
2009 mit dem historisch schlechtesten Ergebnis aus einer Koalition
mit der Union hervor. Dennoch kein Lehrsatz. Denn 1966 bis 1969 war
es genau umgekehrt. Damals entwickelte sich die Sozialdemokratie als
Juniorpartner zu einer Regierungspartei, die Deutschland bis 1982
erfolgreich regieren und nachhaltig prägen sollte. Eine zweite
Legende besagt, die Zeit der Volksparteien sei vorbei. Falsch. Die
Union erzielte am 22. September deutlich mehr als 40 Prozent. Und das
ist auch der Wert, mit dem Willy Brandt 1969 aus der ersten Großen
Koalition hervorging. Fazit: Auch für die SPD ist nichts unmöglich.
Und wer hätte gedacht, dass die Grünen mitten in der Energiewende
thematisch abgemeldet sind? Die einzige erfolgreiche Neugründung
einer Partei, die über Jahrzehnte Standing beweist, schafft es nicht
zum Mehrthemenanbieter. Und noch so eine Fehleinschätzung in der
aktuellen Debatte. Angela Merkel hat selbst in einem Bündnis mit
Gabriel den SPD-beherrschten Bundesrat noch nicht im Griff. Wer die
neuen Blöcke genau betrachtet, stellt fest: Großkoalitionäre Vorhaben
würde genauso im Vermittlungsausschuss landen, wie das mit den
schwarz-gelben der Fall ist. Ein anderer Lehrsatz aus dem »Kleinen
Handbuch praktischer Politik« muss allerdings bis zur Europawahl aus
dem Verkehr gezogen werden. Er lautet: Jede politische Neugründung
hat - mit Ausnahme der Grünen - auf Bundesebene nur einen Schuss,
bevor sie wie wieder in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Die
Alternative für Deutschland könnte diese vermeintliche Gewissheit
umstoßen. Bliebe noch die Räuberpistole, Gabriel werde Merkel mit
Rot-Rot-Grün erpressen - so von Philipp Rösler in die Welt gesetzt.
Dabei haben SPD und Grüne seit 2009 in Crossover-Gesprächen versucht,
mit der Linkspartei Absprachen zu treffen. Alle Gespräche sind
gescheitert - so sie überhaupt zustande kamen. Unterdessen spielt
Horst Seehofer die SPD gegen die Grünen aus. Das gestern gezielt
ausgeplauderte Dreiertreffen von CDU und CSU mit der SPD während noch
mit den Grünen sondiert wird, spricht für sich. Auch wenn das
Verfahren nun gar nicht lehrbuchmäßig ist.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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