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Badische Neueste Nachrichten: Die Weichen sind gestellt

Geschrieben am 29-09-2013

Karlsruhe (ots) - Erstaunlich schnell macht die SPD ihren Frieden
mit der Großen Koalition. Auch wenn der Parteikonvent formell nur ein
erstes Sondierungsgespräch mit der Union abgesegnet hat, so sind die
Weichen damit doch gestellt. In dem Moment, in dem die Mitglieder
über einen Koalitionsvertrag abstimmen, werden sie auch die Folgen
eines möglichen Neins bedenken - ein Vorsitzender, dem gar keine
andere Wahl mehr bliebe als der Rücktritt, eine Partei im Chaos und
am Horizont Neuwahlen, bei denen die SPD nur verlieren kann. Das
alles ist noch kein Freibrief für Sigmar Gabriel. Mit etwas
Verhandlungsgeschick aber sollte der Parteichef am Ende doch ein
Bündnis schmieden können, mit dem beide Seiten leben können, Union
und SPD. Sozialministerin Ursula von der Leyen deutet
Kompromissbereitschaft beim Mindestlohn an, Finanzminister Wolfgang
Schäuble kann sich offenbar vorstellen, die Reichensteuer etwas
anzuheben, und im Kampf gegen die steigenden Mieten hat die Kanzlerin
schon vor der Wahl die Linie der SPD mehr oder weniger übernommen.
Wenn das keine Angebote sind, was dann? So weit, wie es in der
vergangenen Woche scheinen sollte, liegen beide Seiten nicht
auseinander. Dass die offizielle Rhetorik der SPD deutlich
distanzierter klingt, hat vor allem strategische Gründe. Die
Sozialdemokraten wollen nicht nur umworben werden, sie wollen auch
nicht vorzeitig ihre Positionen räumen und den Preis für die Union
möglichst weit in die Höhe treiben. Einen Eindruck muss Gabriel
schließlich auf jeden Fall vermeiden: Dass die Basis das ungute
Gefühl beschleicht, ihm selbst und einigen anderen gehe es in den
Gesprächen mit den Konservativen mehr um die eigenen Karrieren als um
das große, gemeinsame Ganze. Wenn jetzt bereits die ersten Namen
durchsickern, ist das also eher kontraproduktiv. Vor acht Jahren,
beim ersten Anlauf, trennte Union und SPD ein magerer Prozentpunkt.
Diesmal sind es fast 16. Vor allem die CSU wird darauf pochen, dass
die Union am Ende mehr Ministerien bekommt als die Sozialdemokraten -
nur so können die Christsozialen wieder drei Minister in Berlin
stellen. Olaf Scholz hat recht. Mit dem Wahlergebnis vom Sonntag und
dem vor vier Jahren sei die SPD wieder auf dem Niveau der fünfziger
Jahre gelandet, warnt der Hamburger Bürgermeister. Damals warf die
Partei mit ihrem Godesberger Programm viel an sozialistischem Ballast
über Bord, bewegte sich ein Stück weit in die politische Mitte und
wurde so erst zu einer ernsthaften Konkurrenz für Adenauers
Konservative. Nun muss die Sozialdemokratie sich erneut die Frage
stellen, was sie eigentlich sein will - eine Partei, die sich
behaglich in ihrem Weltbild einrichtet und wie die Linke das
Dagegensein kultiviert, oder eine Volkspartei, die gestalten will,
frei nach dem ersten Müntefering'schen Gesetz: Opposition ist Mist.
Wenn das der Fall ist, führt für die SPD an der Großen Koalition kein
Weg vorbei. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, ob die Partei sie
will. Es kommt darauf an, was sie aus ihr macht.



Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung@bnn.de


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