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WAZ: Heuchler und Hetzer in Moskau. Kommentar von Stefan Scholl

Geschrieben am 01-09-2013

Essen (ots) - Die Nachrichten aus Russland sind mal wieder
haarsträubend. Gerade wurde ein Gesetz verabschiedet, das
"homosexuelle Propaganda" gegenüber Jugendlichen verbietet. Seitdem
hagelt es Meldungen von verprügelten Gay-Aktivisten, antischwulen
Promisprüchen und Rechtsradikalen, die mutmaßliche Strichjungen
vergewaltigen. Aber: Die von Moskau losgetretene Schwulenhetze
beeinträchtigt den Alltag der meisten Homo- und Bisexuellen viel
weniger, als solche Schlagzeilen vermuten lassen. Wie so viele von
oben organisierte Feldzüge ist der Kampf gegen "Sodom und Gomorra"
mit sehr viel Lärm verbunden. Vom Normalbürger wird er innerlich wohl
eher gutgeheißen. Aber er käme nicht auf die Idee, Schwule zur Rede
zu stellen oder gar zu verprügeln. Der jüdische Blogger Anton Nosik
vergleicht die neue russische Homophobie mit dem schleichenden
Antisemitismus, den die späte Sowjetmacht veranstaltete, ohne damals
beim Volk aktiven Judenhass entfachen zu können: "Auf der Straße ist
diese Politik nie angekommen." Gegen die Homosexuellen heute herrscht
in Russland ebenso wenig Pogromstimmung. Die Panik in der Szene hält
sich in Grenzen. Doch das entschuldigt die Absichten der staatlichen
Antischwulenhetzer keineswegs. Zumal Hetze gerade groß in Mode ist
unter Russlands Politikern. So machen praktisch alle Kandidaten im
Moskauer Bürgermeisterwahlkampf lautstark Front gegen Gastarbeiter
aus den armen zentralasiatischen Staaten. Tadschiken, Usbeken,
Kirgisen, eine wehrlose, ausgebeutete Randgruppe, die jetzt als
Sündenbock für die unerfreuliche Kriminalstatistik der russischen
Hauptstadt herhalten muss. Russlands politische Kultur wird immer
rechtspopulistischer. Das griffige Feindbild "Knabenschänder"
mobilisiert die Massen zwar nicht, bietet ihnen aber einen bequemen
Schulterschluss mit dem Regime an. Die unterschwellige Botschaft:
Demokratie bedeutet sittlichen Verfall. Eine plumpe Ersatzideologie,
die auch noch geheuchelt ist. Ihre Prediger schicken die eigenen
Kinder zum Lernen und Studieren in die Hochburgen der vorgeblichen
Unzucht, nach London oder Paris, Zürich oder Berlin.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


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