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"DER STANDARD"-Kommentar: "Abschied vom Gutsein" von Michael Völker

Geschrieben am 08-08-2013

Abschieben ist in Ordnung: Die Grünen verlieren ein
Alleinstellungsmerkmal (ET 09.08.2013)

Wien (ots) - Die SPÖ hat mit dem "Ausländerthema" ein
Riesenproblem und dementsprechend Angst davor: Vom Kanzler abwärts
will keiner darauf angesprochen worden. Asyl und Abschiebungen - ein
Negativthema. Den Linken kann man es nicht recht machen und den
Rechten (innerhalb und außerhalb der Partei) auch nicht. Heißt die
SPÖ Abschiebungen gut, sind die Parteijugend und die Linke, die im
Organismus der SPÖ ohnedies schon zum ideologischen Blinddarm
verkümmert sind, empört und zünden der Parteiführung zumindest medial
das Dach an. Und sich wirklich gegen Ausländer zu positionieren - das
kann die FPÖ dann doch besser. Kanzler Werner Faymann kann mit dem
Thema nichts gewinnen, aber jede Menge verlieren. Profiteur wäre die
FPÖ.

Die Grünen ereilt jetzt ein ähnliches Problem: Bundessprecherin
Eva Glawischnig äußert sich zu dem Thema - und die Parteijugend, die
Linken und die befreundeten NGOs sind schockiert. "Beschissen" findet
sie das, twitterte Janine Wulz, die ehemalige ÖH-Vorsitzende. Was
hatte Glawischnig angestellt? Abschiebungen seien prinzipiell, wenn
rechtlich gedeckt, in Ordnung und könnten "selbstverständlich" auch
in Wahlkampfzeiten durchgeführt werden, hatte die Grünen-Chefin
gesagt. Das Asylrecht sei sicherlich reformbedürftig, diese Frage
aber keine Koalitionsbedingung.

Die meisten Österreicher würden das wohl auch so sehen. Solange
der Rechtsweg eingehalten wird, sind Abschiebungen zulässig, warum
nicht auch im Wahlkampf?

Den meisten Grünen wird angesichts dieser Aussagen aber der Atem
gestockt haben. Zulässige Abschiebungen, eine Reform des Asylrechts
keine Koalitionsbedingung? Und das angesichts des unwürdigen
Theaters, das die ÖVP gerade rund um die Abschiebung der
pakistanischen Flüchtlinge aus dem Servitenkloster inszeniert?

Die Grünen verfügten bisher über zwei Alleinstellungsmerkmale:
nicht einmal die kleine Zehe im Korruptionssumpf und bedingungsloser
Einsatz für Flüchtlinge. Dieser Einsatz findet offenbar nicht mehr
ohne Bedingungen statt. Er wurde von der Parteichefin in der
Prioritätenliste nach unten gereiht. Ein Alleinstellungsmerkmal ist
damit dahin. Dass die Parteichefin diese Neupositionierung ohne Not
vornimmt, verwundert.

Dass es kriminelle Ausländer und Asylmissbrauch gibt, wussten auch
die Grünen. Sie haben es nur nie thematisiert. Das taten ohnedies
alle anderen. Die Grünen zogen unverdrossen am anderen Ende des
medialen Darstellungsstricks, sie waren immer die Guten, aufseiten
der Schwachen, Verfolgten, der Minderheiten, auch wenn das
argumentativ manchmal holperte.

Die neue Sichtweise, die Glawischnig darlegt, mag differenziert,
vernünftig und pragmatisch sein. Viele Grüne werden das aber als
Verrat an der (guten) Sache empfinden. Wenn sich die Grünen nicht
mehr für Asylwerber einsetzen, wer tut es dann? Diese "Ja,
aber"-Position entzieht den vielen idealistischen und solidarischen
Flüchtlingshelfern - ob in der Sache oder nur in Gedanken -
argumentativ den Boden. Das ist schade.

Die Grünen sind wieder ein Stück verwechselbarer geworden, sie
sind nicht mehr bedingungslos die Guten. Die Vorstellung, dass sich
Glawischnig mit FPÖ-Chef Strache an einen Tisch setzen und sachlich
über die Asylpraxis in Österreich diskutieren könnte, ohne dass das
in einem Eklat endet, ist verstörend.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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