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BERLINER MORGENPOST: Bürger misstrauen Länderfusionen / Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Geschrieben am 05-08-2013

Berlin (ots) - Es geht doch: Die Bundesländer haben im ersten
Halbjahr nach langer Zeit wieder einen Überschuss in ihren Haushalten
erreicht. Noch nicht alle. Aber immerhin sieben von 16. Besonders
überraschend und erfreulich zugleich: Nach Bayern und Sachsen hat
Berlin am besten gewirtschaftet. Zugegeben, es handelt sich erst um
eine Zwischenbilanz aus dem Bundesfinanzministerium. Aber dass dank
einer wirtschaftsfreundlicheren Politik bei gleichzeitig strikter
Sparsamkeit auch ein vergleichsweise armes Land wie Berlin seine
Finanzen auf einen soliden Grund führen kann, stimmt hoffnungsvoll.
Denn zu vergleichbaren Kraftanstrengungen sind alle gezwungen, wenn
ab 2020 die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse greift. Und
damit das Verbot, Ausgaben mit Krediten zu finanzieren.

Weil das Erreichen dieser Vorgabe selbst nach einem Kompromiss im
neu auszuhandelnden Länderfinanzausgleich - der 2019 ausläuft - sehr
ambitioniert bleibt und für manche schwer zu erreichen sein wird, ist
eine Empfehlung wieder in der Diskussion, die einen Ausweg weisen
soll: Länder-Fusionen. In der Erwartung, dass durch Zusammenschlüsse
die Wirtschafts- und folglich die Finanzkraft gestärkt, gleichzeitig
die Ausgaben durch Einsparungen im politischen Apparat wie in den
Verwaltungen gesenkt werden. Was vom Verstand her plausibel
erscheint, hat sich in der deutschen Praxis bislang als äußerst
schwer durchsetzbar, in den letzten Jahrzehnten gar als unmöglich
erwiesen. Denn über Fusionen entscheiden nach unserer Verfassung
nicht die Politiker, sondern die betroffenen Bürger. Die glauben
schon lange nicht mehr den Heilsversprechungen, mit denen Politiker
Länderfusionen anpreisen, sondern bauen lieber auf ihre regionale
Identität und landsmannschaftliche Verbundenheit.

Nur einmal ist eine Fusion gelungen: 1952 schlossen sich
Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern zu
Baden-Württemberg zusammen. Für die letzte große Niederlage bei einer
geplanten Länderfusion sorgten 1996 die Brandenburger. Sie stimmten,
anders als die Berliner, mehrheitlich gegen eine Vereinigung mit der
Hauptstadt. In der Diskussion sind immer wieder auch Zusammenschlüsse
zu einem Nordstaat (Hamburg, Schleswig Holstein und Mecklenburg-
Vorpommern), Südweststaat (Saarland und Rheinland- Pfalz) oder im
Osten von Thüringen und Sachsen.

Solange die Politiker, so sie denn überhaupt fusionswillig und
damit zum Postenverzicht bereit sind, keine die Bürger überzeugenden
Argumente liefern, können sich Nachbarländer auch anders stärken.
Durch Kooperationen im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder
verwaltungstechnischen Bereich. Das spart Personal und Aufwand.
Berlin und Brandenburg liefern dafür viele Beispiele. Ob es hier und
anderswo reichen wird, erweist sich spätestens 2020, wenn alle Länder
ausgeglichene Haushalt vorlegen müssen. Können sie es nicht, werden
Fusionen unausweichlich. Aber Vorsicht: Aus zwei oder drei
Schwächlingen wird vereint kein Starker. Letztlich verspricht allein
solide Finanzpolitik Erfolg. Die neuen Zahlen belegen es.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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