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DER STANDARD-Kommentar "Der braune Bodensatz" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 19-07-2013

"Auch in diesem Wahlkampf wird auf antisemitische,
rassistische Slogans gesetzt" - Ausgabe 20.7.2013

wien (ots) - Der Wahlkampf dümpelt in der sommerlichen Hitze vor
sich hin. Zehn Wochen vor der Nationalratswahl Ende September war man
versucht zu glauben, es könnte diesmal eine politische
Auseinandersetzung in Österreich stattfinden, die ohne Griff in die
unterste Schublade auskommt: in der keine ausländerfeindlichen oder
antisemitischen Sprüche zum Stimmenfang verwendet werden. Der Chef
der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache, beteuerte in seiner
Parteitagsrede im Juni, er habe "nie einen ausländerfeindlichen
Wahlkampf gemacht". Er spricht jetzt von "inländerfreundlicher
Politik" - was für Intelligentere unter seinen Zuhörern auf das
Gleiche herauskommt. Bis auf die mittlere Funktionärsebene dürfte
sich das nicht herumgesprochen haben. In einer Zeitschrift der
Freiheitlichen Arbeitnehmer Niederösterreich (FAN) wird nicht nur
geschmackloserweise ein Plakat mit dem Konterfei von Josef F.
geschmückt; Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) wird auch
als "Ausländerstaatssekretär" tituliert, und es wird Muslimen
empfohlen, "nutzt doch eure Reisefreiheit!!" An anderer Stelle heißt
es: "Pro Deportation!" Das erinnert an den vom Salzburger FPÖ-Obmann
Karl Schnell verwendeten Begriff der "Umvolkung". In einem Interview
forderte Schnell im Mai ein "Recht auf unsere Heimat" ein. 1992 hatte
der damalige FPÖ-Grundsatzreferent und nunmehrige EU-Abgeordnete
Andreas Mölzer bereits seine Befürchtung geäußert, dass sich in
Deutschland und Österreich eine "Umvolkung" anbahne. Dass immer
wieder Begriffe und Symbole, die seit dem Nationalsozialismus
einschlägig bekannt sind, von Freiheitlichen verwendet werden, hat
System, es gibt eine Vielzahl an Beispielen: Als Jörg Haider 2001
beim politischen Aschermittwoch über den damaligen Chef der
Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, sprach, bediente er
sich antisemitischer Klischees: Jemand, der Ariel heiße, müsse Dreck
am Stecken haben. Im Wahlkampf für den Vorarlberger Landtag 2009
wurde der Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, als
"Exil-Jude aus Amerika" verunglimpft. Strache postete vergangenen
Herbst auf Facebook eine Karikatur, die einen Banker mit Hakennase
und Davidsternen zeigte. Ein Innviertler FPÖ-Gemeinderat hat vor
kurzem auf seiner Facebook-Seite Angela Merkel mit Davidstern auf der
Kleidung veröffentlicht und den Holocaust-Film Schindlers Liste zum
"jüdischen Propagandafilm" erklärt. Der Kommunikationswissenschafter
Maximilian Gottschlich kommt in seinem Buch Die große Abneinung. Wie
antisemitisch ist Österreich zu dem Befund, "die österreichische
Gesellschaft hat eine ausgeprägte Immunschwäche gegen den
Antisemitismus". Er führt dies auf ein "defizientes
Demokratiebewusstsein" zurück. Der Opfermythos, der in der
Waldheim-Ära wieder propagiert wurde, und das noch immer schlampige
Verhältnis zur Vergangenheit führen dazu, dass der braune Bodensatz
zum Vorschein kommt: Weil man hofft, damit Stimmung zu machen und
Stimmen zu bekommen. Es ist bezeichnend, dass es keinen Aufschrei
gibt, wenn im Wahlkampf antisemitische Töne in Österreich
angeschlagen werden. Zum Stimmenfang wird noch immer auf die vom
Philosophen Theodor Adorno konstatierte "nachlebende Sympathie mit
dem Nationalsozialismus" gesetzt.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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