(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Beitritt Lettlands zur Eurozone

Geschrieben am 09-07-2013

Regensburg (ots) - Willkommen im Club

Der Beitritt Lettlands zur Eurozone ist ein wichtiges Signal in
Zeiten der Krise.

Von Ulrich Krökel, MZ

Nun ist es amtlich: Lettland darf der Euro-Zone beitreten - und
das in einer Zeit, in der die Sorgen um Griechenland wieder wachsen.
Dennoch ist die Entscheidung des Ecofin-Rates richtig und wichtig,
für die baltische Republik ebenso wie für die Währungsunion. Lettland
profitiert schon jetzt davon, nicht mehr als Krisenstaat wahrgenommen
zu werden wie viele südeuropäische EU-Länder. Die ausländischen
Direktinvestitionen haben nach dem dramatischen Einbruch der
Horrorjahre 2008/2009 wieder deutlich zugenommen. Damit ist das
Wachstum ins Baltikum zurückgekehrt. Zugleich fließt auch wieder
internationales Kapital in den geschwächten einstigen Tigerstaat, der
daraus neue Kraft schöpft. Zugegeben: Gerade der Kapitalzufluss aus
Russland, dessen milliardenschwere Anleger nach dem Zypern-Crash neue
Zielländer für ihre Zockerei suchen, ist alles andere als
unproblematisch. Lettland und seine baltischen Nachbarn müssen
aufpassen, dass ihre Finanzsektoren nicht erneut überbläht werden.
Wenn Blasen platzen, bleibt Luft zurück. Die EU-Kommission hat
allerdings angekündigt, die Entwicklung in der baltischen
Bankenbranche mit Argusaugen verfolgen zu wollen. Wenn sie das tut
und gegebenenfalls früh gegensteuert, könnte mittelfristig sogar der
hochfahrende Satz von Herman van Rompuy Gültigkeit erlangen. "Die
Eurozone ist wieder ein Club, bei dem man Schlange steht - nicht weil
man raus, sondern weil man rein will", hatte der EU-Ratspräsident
erklärt, als Lettland an die Tür klopfte. Tatsächlich will Litauen
2015 der Währungsunion beitreten, und auch Neumitglied Kroatien hat
Interesse angemeldet. Am Ende bleiben außer den altbekannten
Euro-Verweigerern in Großbritannien, Schweden und Dänemark sowie den
notorischen Nachzüglern Rumänien und Bulgarien nur die
zentraleuropäischen Zauderer Polen, Tschechien und Ungarn übrig, die
an ihren nationalen Währungen festhalten. Sie werden es jedoch nicht
auf Dauer tun. Wegweisende Bedeutung kommt der Entscheidung in
Warschau zu. Dort hat Regierungschef Donald Tusk einem Euro-Beitritt
vor 2020 soeben eine Absage erteilt. Allerdings ist diese Aussage,
die der innenpolitischen Machtarithmetik geschuldet ist, sicher nicht
das letzte polnische Wort in dieser Frage. Tusk selbst möchte den
Euro noch immer so schnell wie möglich einführen. Er weiß sehr gut
und hat es in Brüssel ein ums andere Mal erfahren, dass er als
polnischer Regierungschef nur begrenzten Einfluss auf zentrale
EU-Entscheidungen hat, solange seine Landsleute nicht mit dem Euro
bezahlen. Einer Mittelmacht wie Polen wird das nicht gerecht. Im
Falle Großbritanniens, das aufgrund seiner Geschichte und seiner
internationalen Bedeutung mit einem Sitz im Weltsicherheitsrat über
ganz andere Hebel verfügt, ist das anders. Schweden und Dänen sind
reich genug, um sich die Euro-Verweigerung leisten zu können. Polen
dagegen ist darauf angewiesen, in allen Gremien Mitspracherecht zu
haben. Tusk wird sein Land deshalb weiter auf den Beitritt zur
Währungsunion vorbereiten. Ergibt sich eine passende
Kräftekonstellation, wird er handeln. Und wenn die Polen in den
Euro-Zug einsteigen, werden Ungarn und Tschechen nicht an der
Bahnsteigkante zurückbleiben. Der Beitritt Lettlands ist deshalb ein
wichtiges Signal, dass die Eurozone weiter wachsen wird und eine
Zukunft hat. Wenn - ja, wenn! - sie nicht vorher kollabiert. Der Fall
Griechenlands zeigt, dass die Krise der Währungsunion noch nicht
ausgestanden ist. Daran gilt es weiter unter Hochdruck zu arbeiten,
auch im deutschen Wahlkampf. Vielleicht können die Balten, die einen
eisernen Spar- und Stabilitätswillen unter Beweis gestellt haben,
Modell und Katalysator sein.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

474100

weitere Artikel:
  • Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Annäherung des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel Regensburg (ots) - Die CSU-Brille Das vor knapp drei Wochen festgezurrte Wahlprogramm der Union verpflichtet zwar beide Schwesterparteien zum Gleichschritt, doch die CSU hindert das nicht, bei einigen Themen die Akzente etwas anders als die große Schwesterpartei zu setzen. So gehört zum CSU-Forderungskatalog nach wie vor eine Pkw-Maut, mit der ausländische Autofahrer an den Kosten für die Verkehrswege beteiligt werden sollen. Auch trommelt die CSU nach wie vor für bundesweite Volksabstimmungen über wichtige EU-Entscheidungen mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Soziales / Familie / Kinder Osnabrück (ots) - Fatales Desinteresse Mit dem Stichtag in drei Wochen wird klar werden, was sich seit dem Kita-Gipfel von 2007 abzeichnete: Die Familienpolitik in Deutschland interessiert sich nicht genug für Familien. Anders ist das Hängen und Würgen beim Ausbau von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige nicht zu erklären. Dass nach Ansicht der Kommunen zum 1. August 100 000 Betreuungsplätze fehlen, überrascht dabei - aber nur insofern, als man mit noch größerem Mangel gerechnet hatte. Für eine Gesellschaft, der die mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Ägypten / Unruhen / Präsident Osnabrück (ots) - Die Verlockung der Macht Westliche Politiker haben zuletzt immer wieder die Rückkehr zur Demokratie in Ägypten gefordert. Zu welcher Demokratie? Der abgesetzte Mohammed Mursi war ein rechtmäßig gewählter Präsident, doch er und seine Muslimbrüder haben den fatalen Fehler begangen, Demokratie auf Wahlen zu reduzieren. Einmal an der Macht, galt ihre Politik nur einem Ziel: dem Ausbau ebenjener. Ägypten kennt dank Langzeitdiktator Husni Mubarak nur den autoritären Führungsstil, und dessen Verlockungen konnten die mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu USA / Geheimdienste / Internet / Venezuela Osnabrück (ots) - Nichts wie weg Nun also Venezuela. Nachdem ihm eine Reihe anderer Staaten Ablehnung signalisiert hatte, will Edward Snowden jetzt allem Anschein nach in dem südamerikanischen Staat Asyl suchen. Die Russen wird es freuen. Sie können den ehemaligen US-Geheimdienstler gar nicht schnell genug loswerden. Das ist durchaus verständlich. Immerhin droht der Fall die Beziehungen zu den USA nachhaltig zu belasten. Es war sogar schon davon die Rede, dass Präsident Barack Obama wegen des Falls Snowden seinen für September mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu EU / Datenschutz / Vorratsdatenspeicherung Osnabrück (ots) - Sicherheit ja, Schnüffelei nein Jahrelang schon veranstaltet die schwarz-gelbe Koalition ein unwürdiges Hickhack beim Thema Vorratsdatenspeicherung: ein Armutszeugnis, dass sie sich bislang nicht einigen konnte. Dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärung von Straftaten nicht beeinflusst, belegt die FDP durch ein Gutachten des Max-Planck-Instituts. Andererseits heißt es von der Union, die Landeskriminalämter weisen anhand konkreter Einzelfälle nach, dass sie für die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht