Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Machtkampf am Nil
Offenes Rennen
BERNHARD HÄNEL
Geschrieben am 03-07-2013 |
Bielefeld (ots) - Wie immer der Machtkampf zwischen Präsident
Mursi und dem Militär in diesen dramatischen Stunden und Tagen am Nil
ausgeht, die Zukunft des 80-Millionen-Volkes bleibt ungewiss. Denn
die Macht kommt längst nicht mehr allein aus den Gewehrläufen. Zwei
Gegengewichte müssen die Militärs bei ihren Entscheidungen
einkalkulieren, ob sie nun putschen oder sich für die Einsetzung
einer Übergangsregierung entscheiden. Weder die Muslimbrüder und
schon gar nicht die Salafisten werden die errungene Macht kampflos
abgeben. Mit dem Koran in der Hand werden sie sich Panzern und
Soldaten entgegenstellen. Wenn nicht heute, dann in Tagen oder
Wochen. Sie haben Geduld gelernt in den Jahrzehnten der Unterdrückung
und Illegalität. Der zweite Faktor sind die Straßen und Plätze des
Landes. Die dort versammelten Demonstranten mögen sich im Ziel eines
Sturzes des erfolglosen Präsidenten Mursi einig sein. Darüber hinaus
sind sie zerstritten wie eh und je. Potenzielle Märtyrer wie bei den
Islamisten sind in ihren Reihen weniger zu finden. In Ägypten wächst,
kaum wahrgenommen, ein zartes Pflänzchen der Demokratie. Fünf
Jugendliche reichten, um über Facebook, Twitter und auf Papier weit
über 20 Millionen Stimmen zu sammeln, die Mursis Abdankung verlangen.
Binnen weniger Tage haben so die Stimmlosen eine Stimme bekommen.
Eine Zivilgesellschaft bildet sich heraus. Kluge Militärs würden
Mursi einmauern in einem Präsidialrat. Denn er ist durch freie Wahlen
legitimiert. Sein Problem ist, dass er eine Marionette des
Zentralkomitees der Muslimbrüder ist. Er ist ihr Werkzeug bei der
Islamisierung Ägyptens. Zudem ist fraglich, ob das Militär
tatsächlich eine Verfassung aushebeln wird, die ihm erlaubt, Staat im
Staate zu sein. Mit geheimem Haushalt und eigener Wirtschaftskraft.
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Neue Westfälische
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