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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ägypten

Geschrieben am 01-07-2013

Bielefeld (ots) - 14 Millionen Ägypter sind nach Armeeangaben am
Sonntagabend zwischen Alexandria und Assuan auf die Straße gegangen.
Das war vielleicht schon der Anfang vom Ende der Muslimherrschaft.
Tausende lieferten sich nach Mitternacht gewaltsame,
bürgerkriegsähnliche Straßenkämpfe mit Regierungsanhängern. 16 Tote
und 780 Verwundete wurden offiziell gezählt. Das wahre Ausmaß der
zweiten schweren Unruhewelle seit Jahresbeginn dürfte noch größer
sein. Heute Nachmittag läuft ein Ultimatum der Protestbewegung
»Tamarud« (Rebellion) aus, das die Regierung nie und nimmer annimmt.
Deshalb drehte sich die Spirale der Eskalation im Laufe des Montags
dramatisch weiter. Jetzt verlangen die Militärs Ruhe als erste
Bürgerpflicht auf beiden Seiten. Ein von der Regierung noch schnell
verfügter Rücktritt von fünf Ministern aus dem 34-köpfigen Kabinett
in Kairo konnte den Volkszorn auf die Islamisten auch nicht mehr
dämpfen. Die Aktion wirkt eher hilflos - genauso dilettantisch wie
die Muslimbrüder in den vergangenen zwölf Monaten versucht haben, das
Riesenland am Nil zu regieren. Während große Teile des Volkes
angstvoll zuhause geblieben waren, gingen am ganzen Wochenende
Millionen andere auf die Straße. Dort forderten sie weniger
Bevormundung und lebten ihre ganze Wut gegen Mohammed Mursi aus. Der
frühere Vorsitzende der Muslimbrüder sollte als Präsident eigentlich
Repräsentant oder - arabisch blumig - der »Vater« aller Ägypter sein.
Das Gegenteil ist der Fall. Zum ersten Jahrestag seiner Wahl steht
Mursi als Spalter und Scharfmacher da. Ähnlich wie der türkische
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan fühlt er sich mehr dem Aufbau
eines Gottestaates verpflichtet als seinem Staatsvolk in Gänze. Nicht
nur Christen stehen am Nil unter Druck. Sie allein wären gar nicht in
der Lage, das Land dermaßen zu erschüttern. Im gleichen Maße wie
Regierung und Muslimbrüder die Kopten zu Sündenböcken machen, wettern
sie gegen angeblich »ungläubige« Muslime, Schiiten und Atheisten. Sie
alle sollen Schuld daran sein, dass die neue Führung die alten
Probleme vom Schlendrian über die Korruption bis zu den neuen
Scharia-Vorschriften nicht lösen beziehungsweise nicht umsetzen
können. Hetze statt fairer Regierung ließen zu, dass in Gizeh noch
wenige Tage vor den angekündigten Massenprotesten mehrere Schiiten,
darunter ein Geistlicher, von einer aufgewiegelten Nachbarschaft
erschlagen wurden. Die Sache hat Methode, leitet aber auch ihr
eigenes Scheitern ein. Ägypten nährt die furchtbare Erkenntnis, dass
es heute noch Pogrome gibt. Zugleich wird deutlich, dass immer mehr
freie Geister die Methode Mob, das Aufputschen der Massen zwecks
Ruhigstellung, durchschauen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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