(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar von Christian Kucznierz zum Hungerstreik der Asylbewerber in München

Geschrieben am 30-06-2013

Regensburg (ots) - Der Staat hat durchgegriffen und das Camp der
Asylbewerber in der Münchner Innenstadt räumen lassen. Was hätte er
sonst tun können? Die Hunger- und Durststreikenden sterben lassen?
Sicher nicht. Oder aber sich erpressen lassen und deren Forderungen
nachgeben? Auch das kann keine Option sein, alleine schon in Hinblick
auf andere Flüchtlinge, die ebenfalls lange und verzweifelt auf die
Anerkennung ihrer Asylanträge hoffen und warten. Das alles heißt aber
nicht, dass das, was in München geschah, richtig war. Ganz im
Gegenteil. Nichts ist richtig, wenn eine Gruppe von Menschen, deren
Verzweiflung sie ohnehin schon einmal zwang, die Heimat zu verlassen,
keinen anderen Ausweg sieht, als ihr Leben einzusetzen, um auf ihre
Lage aufmerksam zu machen - wenn sie bereit sind, mitten in der
reichsten Stadt Deutschlands zu verhungern und zu verdursten. Sicher:
Es wird zu klären sein, welche Rolle der Anführer der Gruppe spielte.
Aber fest steht, dass die Aktion auf ein Grundproblem aufmerksam
gemacht hat. Wer, wie die bayerische Sozialministerin, andere
Behörden in der Pflicht sieht, wer sich, wie das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge, auf die Rechtslage beruft, handelt ebenso
bürokratisch korrekt, wie technokratisch herzlos. Er übersieht, dass
niemand freiwillig sein Zuhause, seine Familie, sein Leben
zurücklässt. Dass er auf der Flucht oft sein Leben riskiert. Niemand
sagt freiwillig, nachdem er am Ziel angekommen ist, dass er lieber
stirbt, als so weiterzuleben wie bisher. Ja, Europa hat seine eigenen
Probleme. Innerhalb der EU gibt es genügend Armut und Verzweiflung,
mit der die Gemeinschaft fertig werden muss. Ein Blick auf die
Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa genügt. Aber das heißt nicht,
dass Europa seine Augen verschließen kann vor der Tatsache, dass wir
eine Insel der Glückseligen sind, dass um den Kontinent herum Krieg,
Armut und Krankheit Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen - und
dass Europa ihr Ziel ist. In den Köpfen zu vieler Menschen ist der
Flüchtling immer noch der Sozialschmarotzer, der aus Bequemlichkeit
ein neues Leben sucht - und die politische Diskussion über das Thema
trägt wenig dazu bei, dieses Bild zu revidieren. Gefragt ist ein
Umdenken im Umgang mit Menschen, die Leid, Not und Verzweiflung zu
uns getrieben haben. Sonst gibt es einen weiteren Verlierer: Europa
und mit ihm die Ideen von Freiheit und Menschenrechten. Das Bild von
der "Festung Europa" zeigt, das wir schon auf der Straße der
Verlierer angekommen sind.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

472541

weitere Artikel:
  • Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Norbert Mappes-Niediek zu EU/Kroatien Regensburg (ots) - Braucht Europa mitten in seiner größten Krise wirklich ein neues Mitglied? Wer aus der Exportschwäche Kroatiens, der Arbeitslosigkeit, der hohen Verschuldung Hinweise auf künftige Belastungen der Union ableitet, hat leider recht. Nicht recht hat, wer aus alledem schließt, Kroatien und die anderen Länder im Südosten Europas sollten noch länger vor der Tür warten. Was die Erweiterungsskeptiker stets vergessen, ist die Gegenrechnung aufzumachen. Was würde passieren, wenn Kroatien - und mit ihm die Nachbarn Serbien, mehr...

  • Weser-Kurier: Kommentar zur US-Spionage in Europa Bremen (ots) - Aus der Datenaffäre lassen sich jetzt schon einige Lehren ziehen: Einmal mehr ist der Beweis erbracht, dass staatliche Sicherheitsstellen moderne Technik massiv für ihre Zwecke nutzen - da hilft nur Kontrolle. Bislang richtete sich der Fokus in Sachen Datenklau im Internet auf Firmen wie Google oder Facebook. Jetzt ist es amtlich, dass staatliche Datenkraken nicht minder gefährlich sind. Deshalb hilft auf lange Sicht auch nur ein international geltendes Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so wie es in Deutschland mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu USA / Spionage Osnabrück (ots) - Spion unter Freunden Die Spionage-Enthüllungen bestätigen, was BND und Sicherheitsexperten lange wissen: Die USA haben ein weltweites Spähsystem, das Telefon- und Internetdaten speichert und filtert, auch in Deutschland. Im Vordergrund steht der Anti-Terror-Kampf, den Präsident Barack Obama auf Basis der US-Gesetze betreibt. Sie sehen den Schutz von Demokratie und Freiheit vor, nicht die Jagd auf Oppositionelle. Das ist der grundlegende Unterschied zu Geheimdiensten von Diktaturen. So wie der BND etwa mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Kroatien / EU / Erweiterung Osnabrück (ots) - Die EU ist nicht bereit Kroatien war Schauplatz des sicherheitspolitisch schlimmsten Versagens der europäischen Staatengemeinschaft. Lange sah sie tatenlos zu, wie der Balkankrieg Kroatien und Bosnien zerfleischte und auch Serbien, Montenegro und das Kosovo ins Unglück stürzte. Die Konflikte sind längst nicht beigelegt. Deshalb ist es gut, die Kroaten und auch die Serben, mit denen die EU bis zum Januar Beitrittsverhandlungen eröffnen will, an die Staatengemeinschaft heranzuführen. Das bedeutet nicht, mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Ägypten / Demonstrationen / Präsident Osnabrück (ots) - Ägyptisches Chaos Ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat Mohammed Mursi eine verheerende Bilanz vorzuweisen. Mit dem vollmundigen Versprechen, der Präsident aller Ägypter sein zu wollen, war er nach seinem Wahlsieg angetreten. Doch statt das Land wirtschaftlich auf den Weg zu bringen und gesellschaftlich zu einen, hat der Muslimbruder für Abschwung und Spaltung gesorgt. Nie waren die Gräben zwischen Mursis Anhängern und Gegnern tiefer und unüberwindbarer als zum Jahrestag. Dem Widerstand auf dem Tahrir-Platz mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht