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DER STANDARD-Kommentar: "Kroatiens Beitritt lässt hoffen" von Adelheid Wölfl

Geschrieben am 30-06-2013

Die Europäische Union hat im Fall Kroatiens
Transformationskraft bewiesen (Ausgabe ET 01.07.2013)

Wien (ots) - Auf den Plakaten in Zagreb ist nichts weiter als "HR,
EU." zu lesen. Also: Kroatien, Beistrich, Europäische Union, Punkt.
Das kann man etwa so interpretieren: "Wir sind jetzt dabei. Und so
ist es. "Die Kroaten sind sehr nüchtern, wenn es um den Beitritt
geht. Erstens wissen sie, dass ihr Land weit davon entfernt ist,
perfekt zu sein: Es kämpft mit einer hohen Arbeitslosigkeit und
Schuldenlast, mit wirtschaftlicher Flaute und Intransparenz in der
Justiz. Aber zweitens wissen sie auch, dass Kroatien damit eigentlich
ganz gut die Schwierigkeiten der gesamten Europäischen Union
widerspiegelt.

Und das ist noch nicht der Punkt, sondern erst der Beistrich. Denn
Tatsache ist, dass sich Kroatien in den vergangenen Jahren zum
Besseren entwickelt hat. Und zwar wegen der Europäischen Union.
Punkt. Gerade das kroatische Beispiel zeigt, dass die EU
Transformationskraft besitzt. Die Gesellschaft ist in den vergangenen
acht Jahren seit Verhandlungsbeginn eine liberalere und
pluralistischere geworden. Dazu gehört etwa auch die Freiheit, nicht
irgendwo dazugehören zu müssen und trotzdem akzeptiert zu werden. Man
muss keine Ressentiments gegen andere Volksgruppen pflegen, und man
muss nicht Franjo Tudjman verehren und kann trotzdem ein Kroate sein.
Die dumpfen 1990er-Jahre sind vorbei.

Kroatien ist zudem der erste EU-Staat, der in den 1990er-Jahren
einen Krieg erlebte. Die EU-Mitgliedschaft bedeutet hier auch
Gewissheit, dass so ein Krieg nicht mehr ausbrechen kann. In
Südosteuropa ist die EU wieder ein Friedensprojekt "Wir sind mental
näher an der Generation nach dem Zweiten Weltkrieg als irgendwer
anderer in der EU", sagte etwa der Politologe Dejan Jovic am Freitag
in Zagreb bei der Veranstaltung "Europe joins Croatia". "Weniger
Souveränität heißt für uns mehr Sicherheit."

Es waren vor allem die politischen Kriterien, etwa die
Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, die
Kroatien im Beitrittsprozess herausforderten. Auch ein anderer Aspekt
der Vergangenheitsbewältigung war zentral: der Umgang mit den
Nachbarn, den ehemaligen Teilrepubliken des zerfallenen Jugoslawiens.
Mittlerweile gibt es eine einigermaßen partnerschaftliche Haltung zu
Slowenien, das sich mit Kroatien jahrelang matchte. Die EU fordert
diese Partnerschaft auch zu Serbien ein. Ohne den Beitrittsprozess
hätte sie dazu nicht die Werkzeuge in der Hand. Und Belgrad ist es
gar nicht egal, dass Zagreb nun am Tisch in Brüssel repräsentiert
ist. Durch den Beitritt ist bereits eine neue Dynamik entstanden.

So ist es ein Fortschritt, dass der serbische Präsident Tomislav
Nikolic in Zagreb Kroatiens Beitritt feiert. Und es ist auch ein
Erfolg der EU, dass die Nachbarn die wechselseitigen Völkermordklagen
zurückziehen wollen. Belgrads Einlenken gegenüber dem Kosovo ist
ohnehin ein Meilenstein.

Man darf aber nicht vergessen, dass sich nicht nur die Staaten auf
dem Weg in die EU verändern, sondern dass sich auch die EU
transformiert. Inmitten der Krise akzeptiert die Europäische Union,
einen 28. Staat aufzunehmen, der noch dazu Probleme hat. Mit
Kroatiens EU-Beitritt beweist sich die EU selbst, dass sie nicht nur
weiter wachsen will, sondern auch weitermacht, trotz aller Unkenrufe.
Angesichts dessen könnte man, wenn man wollte, kurz aufhören zu
jammern und ein wenig zufrieden sein. Und sich freuen. Mit unseren
Nachbarn. Cestitam, Hrvatskoj! Gratulation, Kroatien!

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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