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Mursis erstes Jahr im Amt - Ein verlorenes Jahr für die Pressefreiheit in Ägypten

Geschrieben am 28-06-2013

Berlin (ots) - Ein Jahr nach dem Amtsantritt des ägyptischen
Präsidenten Mohammed Mursi zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) eine
ernüchternde Zwischenbilanz. Der Sturz des Regimes von Hosni Mubarak
im Februar 2011 hatte bei vielen Ägyptern große Hoffnungen auf mehr
Meinungs- und Pressefreiheit geweckt. Doch seit Mursi am 30. Juni
2012 als erster frei gewählter Präsident in der Geschichte des Landes
sein Amt übernahm, werden Journalisten reihenweise mit Klagen
überzogen, diffamiert oder angegriffen. Die neue Verfassung bietet
nur unzureichenden Schutz. Und Mursi sowie seine Anhänger heizen die
Stimmung gegen Medienschaffende aktiv an.

"Präsident Mursi hat die historische Chance vertan, die Dynamik
des Arabischen Frühlings zu einem klaren Bruch mit der repressiven
Politik des alten Regimes gegenüber kritischen Journalisten und
Medien zu nutzen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Anstatt
Journalisten als Feinde und Aufrührer zu brandmarken, sollte er sich
endlich für ihren wirksamen Schutz vor Angriffen und politisch
motivierten Klagen einsetzen."

Zwar ist nach der Revolution eine Vielzahl neuer Zeitungen und
anderer Medien entstanden. Viele davon sind jedoch von politischen
oder unternehmerischen Interessen ihrer Besitzer beeinflusst.
(http://bit.ly/11LHXQi) Zusammen mit einer seit Jahrzehnten
eingeübten Kultur der Repression und Selbstzensur, teils mangelhaften
journalistischen Standards und einer zunehmenden politischen
Polarisierung im Land ergibt dies eine explosive Mischung.
(http://bit.ly/12txTXq)

Mursi und die Muslimbruderschaft, der er sein Amt verdankt, haben
an dieser Entwicklung erheblichen Anteil. Sechs Wochen nach dem
Amtsantritt Mursis wechselte die Partei der Muslimbrüder mit ihrer
Mehrheit im Oberhaus die Chefredakteure der großen staatlichen
Printmedien aus (http://bit.ly/15KGsPQ) und versucht nun, auf deren
redaktionelle Arbeit Einfluss zu nehmen. (http://bit.ly/17CM0Tw)

Die Ende 2012 verabschiedete neue Verfassung
(http://bit.ly/VarYDM) enthält zwar die Rechte auf Meinungs- und
Pressefreiheit. Zugleich setzt sie ihnen jedoch eine Reihe von
Einschränkungen und konkurrierenden Vorschriften wie ein Verbot der
Beleidigung von Menschen und Propheten entgegen. Die Ausgestaltung
vieler Grundsätze bleibt im Ungefähren, was die Gefahr einer
willkürlichen und repressiven Anwendung birgt. Beschlagnahme und
Schließung von Medien per Gerichtsbeschluss sind ausdrücklich
erlaubt. (http://bit.ly/11PcKs2)

Bezeichnend für den tatsächlichen Stand der Pressefreiheit in
Ägypten sind die vielen Anzeigen und Prozesse gegen Journalisten
wegen Delikten wie Verunglimpfung des Islam, Gefährdung der
nationalen Sicherheit oder Verbreitung von Falschinformationen.
Allein wegen "Beleidigung des Präsidenten" wurden laut dem Arabischen
Netzwerk für Menschenrechtsinformationen in Mursis ersten 200 Tagen
im Amt mehr Journalisten angezeigt als unter allen anderen
ägyptischen Herrschern seit 1892 zusammengenommen. Viele der Anzeigen
stammten von Beraters Mursis, der sie schließlich mit großer Geste
zurückziehen ließ. (http://bit.ly/Z9bjWI)

Das wohl bekannteste Ziel solcher Anzeigen ist der TV-Satiriker
Bassem Youssef. (http://nyti.ms/14MaCXv) Gegen die
Fernsehjournalistin Dina Abdel Fattah wurde wegen des Verdachts der
"Förderung des Terrorismus" ermittelt, weil sie Vertreter der
Protestbewegung "Schwarzer Block" in ihre Sendung einlud.
(http://bit.ly/Wq3smG) Den Chefredakteur der Zeitung Al-Watan, Magdy
El-Galad, und einen Reporter des Blatts erwartet in diesen Tagen ein
Prozess wegen eines angeblich falschen Berichts über eine Todesliste
militanter Islamisten. (http://bit.ly/19zkrLv)

Besonders besorgniserregend ist die zunehmende Gewalt gegen
Journalisten - und der Unwille der Behörden, solche Übergriffe zu
verfolgen. In den vergangenen zwölf Monaten wurden 67 Angriffe gegen
Medienschaffende gezählt. Die meisten gingen von Anhängern Mursis aus
und richteten sich gegen Journalisten, die über Gewalt zwischen
Unterstützern der Regierung und der Opposition berichteten. Der
Journalist Al-Hosseiny Abu Deif starb an den Kopfverletzungen, die er
im Dezember bei einer solchen Konfrontation erlitt.
(http://bit.ly/11PcKs2)

Schon zweimal protestierten Islamisten mit einer regelrechten
Belagerung der "Media City" am Rande der Hauptstadt gegen die ihrer
Meinung nach voreingenommene Berichterstattung der dort ansässigen
privaten Fernsehsender über den Präsidenten. (http://bit.ly/1ajeOR0)
Unabhängig davon gab es Brandanschläge auf das Kairoer
Al-Jazeera-Büro und den Sitz der Zeitung Al-Watan.
(http://reut.rs/UIH8PZ, http://bit.ly/WSGyS8)

Muslimbrüder und Salafisten tragen zu solchen Exzessen bei, indem
sie kritische Medien beschuldigen, sie wollten das Land spalten und
die Regierung stürzen. Der Präsident persönlich griff in seiner Rede
an die Nation am vergangenen Mittwoch die Besitzer der
Satellitensender CBC und Dream TV, Mohamed El-Amin und Ahmed Bahgat,
namentlich an. (http://bit.ly/14AulWB)

In der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Ägypten auf Platz
158 von 179 Ländern. Die Muslimbruderschaft zählt wegen ihrer Rolle
bei den Repressionen zu den "Feinden der Pressefreiheit"
(http://bit.ly/19zp6NA). Aktuelle Meldungen zur Lage der Journalisten
und Medien in Ägypten finden Sie unter http://en.rsf.org/egypt.html.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
T: +49 (0)30 60 98 95 33-55
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de


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