(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Bericht des Expertenbeirats Pflege: "Schluss mit der Minutenpflege"

Geschrieben am 27-06-2013

Regensburg (ots) - Wer den am Donnerstag vorgestellten Bericht des
Expertenbeirats Pflege liest, findet Sätze, auf die Betroffene schon
seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 warten. Die Experten
haben die absolut richtige Diagnose gestellt und dem "Patienten
Pflegeversicherung" die passende Therapie verordnet: Der Bericht
stellt klar, dass die heutigen Pflegestufen Menschen mit geistigen
Behinderungen sowie kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen wie
etwa Demente weitgehend ausgrenzt und genau das korrigiert werden
muss. So soll es künftig fünf Pflegegrade statt drei Pflegestufen
sowie ein neues Begutachtungsassessment (NBA) geben. Revolutionär
dabei: Entscheidend ist nicht mehr der Faktor Zeit bei der Einstufung
der Pflegebedürftigkeit. Zudem entfällt die bisherige Beschränkung
auf nur bestimmte, körperbezogene Verrichtungen wie etwa Waschen,
Essensgabe etc. Weil eben genau das heute dazu führt, dass Demente
durchs Raster fallen und in den meisten Fällen keine Leistungen aus
der Pflegeversicherung erhalten. Denn: Demente können sich zwar
häufig selbst anziehen und sind in der Lage, selbst zu essen, müssen
jedoch meist permanent beaufsichtigt und motiviert werden. Genau das
wird bis dato nicht bezahlt. Deshalb soll in Zukunft das "Ausmaß der
Abhängigkeit von Personenhilfe" ein Ausgangspunkt für die Gestaltung
und den Umfang der Pflege-Leistungen sein. Soweit, so gut. Genau das
wusste man auch 2009 schon, als der erste Expertenbeirat seine
Empfehlungen vorlegte. Der aktuelle Pflegebeirat, der mit der
Übergabe des Expertenberichts an Gesundheitsminister Daniel Bahr
(FDP) seine Arbeit am Donnerstag beendete, hatte jedoch die Aufgabe,
Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Und das ist geschehen: Die
Pflege-Experten erstellten einen genauen Zeitplan, eine Roadmap, die
darlegt, wie innerhalb von 18 Monaten der Übergang zum neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriff gelingt. Eigentlich hatte Bahr
angekündigt, diesen Übergang schon in dieser Legislatur zu
bewältigen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung war dazu jedoch nicht
in der Lage und hat somit eines ihrer zentralen Vorhaben verfehlt.
Das ist schlimm genug. Klar muss jetzt sein: Die nächste
Bundesregierung hat diese Roadmap unverzüglich umzusetzen. Folgt man
dem Zeitplan des Pflegebeirats, müsste dieser zugegebenermaßen sehr
komplexe, doch nun bestens vorbereitete Auftrag bis zum Frühjahr 2015
erledigt sein. Dass es schon innerhalb des Gremiums zu Streitigkeiten
über das liebe Geld gekommen sein soll, zeigt aber, wo der Knackpunkt
liegt - und das schon seit Jahren. Der neue Pflegebericht gibt einen
Kostenrahmen von zwei Milliarden Euro pro Jahr an. Im Vorfeld wurde
jedoch schon spekuliert, dass die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs
weit mehr, bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr kosten könnte. Jede
Milliarde mehr entspricht 0,1 Beitragssatzpunkten. Dieses Geld müssen
wir, muss die nächste Bundesregierung, bereit sein, aufzubringen.
Alles andere wäre eine Bankrotterklärung der Sozialstaats. Der
Münchner Pflegekritiker Claus Fussek hat Recht, wenn er immer wieder
anmahnt, dass die Pflege Schicksalsfrage der Nation werden müsse.
Denn jeder wird einmal alt - auch, wenn sich kaum jemand gerne damit
beschäftigt. Doch wer sich vor Augen hält, dass jeder Dritte im Alter
zwischen 80 und 90 Jahren an Demenz erkrankt, ahnt, wie stark dieses
Thema auch mit dem eigenen Schicksal verbunden ist. Autorin: Maria
Gruber



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

472179

weitere Artikel:
  • Frankfurter Rundschau: Kommentar Frankfurter Rundschau Frankfurt (ots) - "Die Ägypter haben viele gute Gründe, Mursi zum Rücktritt zu zwingen. Eines spricht allerdings dagegen: Sein Nachfolger wird womöglich nicht besser sein. Die Opposition hat es verschlafen, sich so zu organisieren, dass sie eine Alternative anbieten kann. Das Risiko, dass als nächstes ein Salafist oder ein knochenharter Anhänger des alten Regimes bei Wahlen gewinnen wird, ist hoch. Womöglich führt der Protest jetzt auch zu einem Comeback der Militärregierung. Die Ägypter sagen laut und deutlich: "Der Nächste, bitte!" mehr...

  • Berliner Zeitung: Zur Bankenunion: Berlin (ots) - Wer Risiken eingeht, darf auf Belohnung hoffen. Wer scheitert, muss die Verantwortung übernehmen. Also haften bei einer Pleite künftig erst die Eigentümer und die Gläubiger der Institute. Wenn das nicht reicht, kann die Branche einspringen - mit von den Banken insgesamt zu finanzierenden Fonds. Anschließend werden die Sparer mit mehr als 100 000 Euro auf dem Konto herangezogen - und zum Schluss die Steuerzahler. Für die Banken wird es damit teurer, sich Kapital zu besorgen. Wer ihnen als Aktionär Geld zur Verfügung mehr...

  • Trierischer Volksfreund: Zur Pflegereform - Leitartikel, Trierischer Volksfreund, 28.06.2013 Trier (ots) - Erinnert sich noch wer? 2011 hatte der damalige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler zum "Jahr der Pflege" erkoren. Da wurde viel berichtet und noch mehr beraten. Aber passiert ist praktisch nichts. Später kam es dann wenigstens zu ein paar Verbesserungen, zum Beispiel für Demenzkranke, die allerdings weit hinter der Notwendigkeit einer umfassenden Pflegereform zurück blieben. Gestern nun nahm Röslers Amtsnachfolger Daniel Bahr den Bericht einer Expertenkommission entgegen, der exakt beschreibt, was für eine mehr...

  • Deutsche Umwelthilfe gratuliert Daimler und BMW zur Übernahme der Regie im Kanzleramt Berlin (ots) - DUH-Bundesgeschäftsführer Resch: "Der vom Stuttgarter Autobauer als Cheflobbyist bestellte Staatminister im Kanzleramt von Klaeden ist ganz offensichtlich jeden Euro Wert" Trotz europaweiter Proteste gegen die Verquickung von Politik und knallharten Industrieinteressen: Angela Merkel intervenierte persönlich beim irischen Premier Enda Kenny, um eine Abstimmung über verschärfte CO2-Grenzwerte für Pkw in Europa zu verhindern. Hierzu erklärt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH): "Der mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Gestern konnte Peer Steinbrück überraschend punkten - Der Agile und die Stoische Ein Kommentar von Martin Vogler Düsseldorf (ots) - Wer geglaubt hatte, Peer Steinbrück hätte den Kampf ums Kanzleramt schon aufgegeben, musste sich gestern eines Besseren belehren lassen. Denn auch wenn die Umfragen für den SPD-Spitzenkandidaten gegenüber Kanzlerin Angela Merkel verheerend ausfallen, lassen die Prognosen für die Parteien selbst so gut wie alles offen. Und nur auf die kommt es an. Warum sollte Steinbrück also jetzt schon die Flinte ins Korn werfen, wie es Viele nach seinem oft als unglücklich - von anderen auch als sehr ehrlich - empfundenen Talkauftritt mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht