(Registrieren)

Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Türkei:

Geschrieben am 25-06-2013

Bielefeld (ots) - Die europäischen Außenminister sollten mit der
Türkei ausgerechnet jetzt nicht über Regionalpolitik verhandeln.
Fällig wären stattdessen die Beitrittskapitel »Justiz und
Grundrechte« sowie »Freiheit und Sicherheit«. Das forderten gestern
nicht allein die Menschenrechtler, das verlangt auch jedes gesunde
Grundempfinden für Gerechtigkeit und Demokratie. Seit Wochen gehen
die Menschen in der Türkei massenhaft auf die Straße, weil sie die
Bevormundung durch Islamisten leid sind. Sie fürchten um ihr
Vaterland, das sie auf dem Weg zum Scharia-Staat wähnen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat in Luxemburg wegen der
Entrüstung in Deutschland, Österreich und den Niederlanden die
Debatte ein wenig verschieben können, mehr aber nicht. Im Herbst wird
nach langer Pause wieder über den EU-Beitritt verhandelt.
Ausgerechnet jetzt? Ja, gerade in dieser Situation. Viele EU-Länder
sind bemüht, die Beitrittsfrage aus dem Feuer der Tagespolitik zu
holen. Das ist konstruktiv und setzt Signale. Mit einem großen Knall
und dem Abbruch der Verhandlungen wäre nichts gewonnen. Im Gegenteil:
Die Demonstranten vom Gezi-Park und in Dutzenden anderen Städten der
Türkei brauchen uns. Sie entwickeln sich soeben zur Avantgarde gegen
die Geister von gestern. Längst zeigen die Proteste Wirkung - nicht
im Sinne einer neuen Partei, wohl aber eines erweiterten
Bewusstseins. Durch Teehäuser, bürgerliche Viertel und Universitäten
weht die Selbsterfahrung: Wir sind ein buntes, ein breites Volk - und
den Islamisten nicht kampflos ausgeliefert. Nie zuvor waren Anhänger
Kemal Atatürks, Kurden, Aleviten, andere liberale Muslime und selbst
Christen gemeinsam durch die Straßen gezogen. Alle eint die Ablehnung
des autoritären Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie wollen
neben individueller Freiheit vor allem Gerechtigkeit. Dazu gehört die
für die Führung gefährliche Forderung nach Bestrafung der
Verantwortlichen für brutale Polizeigewalt. Viele wollen Erdogan
selbst vor Gericht sehen. Dazu wird es kaum kommen. Aber erste Risse
tun sich an der Staatsspitze auf. Kenner sagen, Erdogans Plan, 2014
den renitenten Staatspräsidenten Abdullah Gül abzulösen, sei bereits
Makulatur. Damit bliebe Erdogan nur die Option, nach einer
Verfassungsänderung 2015 eine weitere Präsidentschaft anzustreben.
Aber die ist kein Selbstläufer mehr für den Spalter- statt
Versöhner-Typ. Die scheinbar felsenfeste Basis der AKP bröckelt. Ein
kritisches Staatsvolk wächst heran. Es hat Erdogans dunkle Seite zu
sehen und zu spüren bekommen. Diese Erfahrung und die unverändert
offene Tür nach Europa sollten die Türkei vor weiterer Islamisierung
bewahren.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

471687

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Sinnlose Todesstrafe Düsseldorf (ots) - Sie muss einfach verstören, die Unerbittlichkeit, mit der Texas Menschen hinrichtet. Die Exekution Kimberly McCarthys wäre allein in diesem Bundesstaat die fünfhundertste seit 1976, als der Supreme Court in Washington ein kurzlebiges Moratorium aufhob. Und falls die Anwälte der Afroamerikanerin doch noch einen Aufschub erreichen, wird der makabre Meilenstein nicht schon im Juni erreicht, sondern erst im Juli, mit der Giftspritze für den nächsten Todeskandidaten. Am traurigen, schockierenden Gesamtbild ändert es mehr...

  • Rheinische Post: Terror mit Mini-Drohne Düsseldorf (ots) - Die Razzien in Süddeutschland lenken den Blick auf eine emotional aufgeladene Debatte: den Drohnen-Einsatz. Es mag lächerlich klingen, die von vielen verteufelten Kampfdrohnen mit nettem Flugspielzeug in Verbindung zu bringen. Doch was da auch von Privatleuten in die Luft gebracht werden kann, hat es in sich. Kampfjets sind für wenige Hundert Euro als Mini-Zerstörer nachbaubar, können mit starkem Sender über Kilometer ins Ziel gesteuert - und natürlich auch mit Sprengstoff beladen werden. Die Zerstörungskraft ist mehr...

  • Rheinische Post: Autobahn-Baustellen besser koordinieren Düsseldorf (ots) - So sicher wie der Beginn der Sommerferien ist in NRW zur gleichen Zeit auch die Sperrung einer wichtigen Autobahn. War es im vergangenen Jahr die A 40 in Essen, so ist es diesmal die A 52, die für mindestens drei Monate in eine Fahrtrichtung gesperrt wird - wenn alles gut läuft. Dass es klappen wird, davon sind die Planer und Projektleiter überzeugt. Bei der Sanierung des Ruhrschnellwegs (A 40) habe auch (fast) alles geklappt, heißt es im Verkehrsministerium. Vergessen wird dabei jedoch gerne, dass die A 40-Sperrung mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Der Fall Edward Snowden Gejagt vom US-Geheimdienst MATTHIAS BUNGEROTH Bielefeld (ots) - Ein Krimiautor hätte kein spannenderes Drehbuch schreiben können. Edward Snowden, Computerspezialist aus den USA, legt aus seinem Exil in Hongkong weltweite Überwachungspraktiken von Computersystemen durch US-amerikanische und britische Geheimdienste offen. Die Sicherheitsbehörden sehen den Nerv ihrer Arbeit betroffen. Eine Hatz auf den mittlerweile geflohenen 30- Jährigen beginnt, die ihresgleichen sucht. Egal, welche Motive Snowden letztlich bewogen haben zu enthüllen, mit welchen Methoden die Sicherheitsdienste mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Pläne des Ruhrgebiets trafen auf wenig Gegenliebe Heftige Reaktionen HUBERTUS GÄRTNER Bielefeld (ots) - Das Ruhrgebiet musste in den letzten Jahrzehnten einen gewaltigen Strukturwandel stemmen. Heute steht es vor neuen großen Herausforderungen. Das beschlossene Aus für die Opel-Produktion in Bochum, aber auch gewaltige Verkehrsprobleme und Migrationsbewegungen sind nur einige Beispiele. Deshalb ist es verständlich, wenn das Ruhrgebiet nach neuen Wegen sucht, um die regionalen Herausforderungen besser zu meistern. Trotzdem ist das "Ruhrparlament" über das Ziel hinausgeschossen. Seine Forderung nach mehr Macht und finanziellen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht