(Registrieren)

Schwäbische Zeitung: Leitartikel zur Türkei - Der Geist ist aus der Flasche

Geschrieben am 17-06-2013

Ravensburg (ots) - Vorbild Türkei, Hoffnungsträger Recep Tayyip
Erdogan: So haben in den vergangenen Jahren viele westliche Politiker
und manche Medien ein Wunschdenken umschrieben, nein: beschworen.
Gemeint war: Am Bosporus wird der Beweis erbracht, dass Demokratie
und gemäßigter Islamismus keine Gegensätze sein müssen. Dass der
türkische Regierungschef und seine Partei AKP die Folie für andere
islamische Länder, insbesondere im arabischen Raum, liefere. Dass der
imposante wirtschaftliche Aufstieg der Türkei die Ankunft des Landes
in der Moderne festige. Fazit: Dass die Türkei auf gutem Weg sei,
Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Aber bei dieser Sicht der Dinge waren Zweckoptimisten am Werk. Sie
haben - bewusst oder halb bewusst oder unbewusst - vieles
ausgeblendet, was in der Lage gewesen wäre, ihr schönes Weltbild zu
stören. Gar nicht vorbildlich war nämlich Erdogans Umgang mit den
Minderheit - ob Kurden, Alewiten, Juden oder den wenigen verbliebenen
Christen. Gar nicht vorbildlich war sein Umgang mit Kritikern und
sein Verständnis von Pressefreiheit. Man hat ausgeblendet, dass sich
dieser Mann immer mehr zum Autokraten entwickelt hat, der unter
nationalistischer und islamistischer Flagge segelte. Wie gesagt:
Zweckoptimismus.

Damit müsste nun Schluss sein. Erdogans Hetze gegen finstere
ausländische Medien, seine wüsten Verbalausfälle gegen Menschen, die
ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen, seine unverhohlenen Drohungen mit
Gewalt: All das kommt doch irgendwie bekannt vor. Es entspricht dem
Verhaltensmuster von Herrschern, die mit Demokratie wenig am Hut
haben - vorsichtig formuliert.

Hoffnungsträger aus westlicher Sicht sollten nun diese überwiegend
jungen Menschen in der Türkei sein, die sich das nicht mehr gefallen
lassen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie in absehbarer Zeit
politische Mehrheiten erringen können. Aber: Mit ihren Protesten ist
ein Geist aus der Flasche, der sich nicht mehr so leicht einsperren
lässt. Erdogan weiß das, und genau deshalb reagiert er so despotisch.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

470131

weitere Artikel:
  • Badische Neueste Nachrichten: Verhärtete Fronten Karlsruhe (ots) - Zwei große Themen bestimmen derzeit die Gespräche der Staats- und Regierungschefs in Lough Erne: der globale Handel und die Suche nach einer politischen Lösung für die Syrienkrise. Premierminister David Cameron braucht Erfolge in beiden Bereichen, um den Gipfel der führenden Industrienationen in der ehemaligen Bürgerkriegsprovinz "historisch" nennen zu können. Vor dem Treffen in Nordirland erklärte Cameron noch vollmundig, er werde auf inhaltsleere Erklärungen verzichten und stattdessen die "britische Führungsrolle" mehr...

  • Das Erste, Dienstag, 18. Juni 2013, 5.30 -9.00 Uhr Gäste im ARD-Morgenmagazin Köln (ots) - 7.05 Uhr, Claudia Roth, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, Thema: Lage in der Türkei 8.10 Uhr, Karl-Georg Wellmann, CDU, Mitglied Auswärtiger Ausschuss, Thema: EU-Beitritt Türkei Pressekontakt: WDR Presse und Information, Kristina Bausch, Tel. 0221-220-7121 Agentur Ulrike Boldt, Tel. 02150 - 20 65 62 mehr...

  • Rheinische Post: Kahrs besteht auf Beitrittsoption für Türkei Düsseldorf (ots) - Der Chef der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs, ist Forderungen nach einem Aussetzen der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei angesichts der Gewalteskalation in türkischen Städten entgegen getreten. "Wir müssen die Beitrittsoption aufrecht erhalten", sagte Kahrs der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Das sei die einzige Möglichkeit, Druck auf die Türkei auszuüben, ohne dass es die Türken als Druck empfänden. Die Türken ließen sich mit einem mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Geheimdienste SPD-Außenpolitiker Mützenich ist entsetzt über Bespitzelung von Diplomaten auf G-20-Gipfel Halle (ots) - Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat die Bespitzelung ausländischer Diplomaten bei den G-20-Gipfeln im Jahr 2009 kritisiert. "Ich bin entsetzt", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Dienstag-Ausgabe) mit Blick auf die jüngsten Nachrichten aus Großbritannien. "Das muss zur Sprache gebracht werden." Am Montag war bekannt geworden, dass der britische Geheimdienst Gipfelteilnehmer systematisch ausspioniert hatte, um die Gipfelergebnisse im Sinne Großbritanniens mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: Grünen-Chefin Roth fordert klare Worte der Nato Saarbrücken (ots) - Angesicht der Drohung der türkischen Regierung, auch die Armee gegen Demonstranten einzusetzen, hat Grünen Chefin Claudia Roth klare Worte der Nato gefordert. Roth sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Dienstag): "Das Militärbündnis muss politisch Einfluss nehmen und deutlich machen, dass es nicht akzeptiert, wenn die türkische Regierung mit der Armee droht und brutal mit den Sicherheitsbehörden vorgeht." Schließlich sei die Türkei Mitglied des Bündnisses. Roth betonte weiter, zugleich müsse auf allen Regierungsebenen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht