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Lausitzer Rundschau: Willkommen im Paradies - Zum Wahlparteitag der Linken in Dresden

Geschrieben am 16-06-2013

Cottbus (ots) - Das immerhin hat die Linkspartei geschafft: Es
herrscht Konsens darüber, sich nicht mehr selbst zerfleischen zu
wollen. Zumindest bis auf Weiteres. Wer diese "Errungenschaft" gering
schätzt, der sollte sich an den Bundesparteitag in Göttingen vor fast
genau einem Jahr erinnern. Damals hatte der offene Hass zwischen
westdeutschen Fundamentalisten und ostdeutschen Reformern die Linke
beinah in die Spaltung getrieben. Umso deutlicher stand ihr
Wahlkonvent am Wochenende im Kontrast zu den aggressiven
Kampfhandlungen von damals: So viel Harmonie kannte man bislang
allenfalls von CDU-Parteitagen. Das nahende Wahldatum - bis zum
Urnengang im Bund sind es kaum mehr 100 Tage - hat seine
disziplinierende Wirkung auch bei den Linken nicht verfehlt.
Einstweilen triumphiert die Einsicht, dass der eine Flügel nicht
wirklich etwas gewinnen kann, wenn er den anderen bezwingt. Und
umgekehrt. Kaum etwas verabscheuen die Bürger nämlich mehr als einen
zerstrittenen politischen Haufen, der sich statt um sie nur um sich
selbst kümmert. Ansonsten freilich bleibt alles wie gehabt: Wer vom
Paradies auf Erden träumt, der ist bei der Linken bestens aufgehoben.
Ein Mindestlohn von zehn Euro, ein Hartz-IV-Regelsatz von 500 Euro,
eine Mindestrente von 1050 Euro - und alles zusammen natürlich
sofort. Schneller, weiter, höher, lautet die soziale Devise der
Linkspartei. Dass ein flächendeckender Mindestlohn von zehn Euro
unweigerlich zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen muss, Schwamm
drüber. Dass eine Mindestrente von 1050 Euro ungefähr dem entspricht,
wofür ein Durchschnittsverdiener gut 40 Jahre arbeiten muss, auch
egal. Obendrein ist gar von der Verheißung die Rede, ,,keine
Mindestsicherung mehr unter 1050 Euro" zu akzeptieren, egal ob jemand
erwerbsfähig ist oder nicht. Nach diesem Muster wird nicht nur der
Wert von Arbeit entwertet. Auf diese Weise würde der Sozialstaat zum
allmächtigen Fürsorgestaat. Und finanzieren sollen das Paradies
natürlich die "Reichen" - sofern es dann überhaupt noch welche gibt.
Doch keine Sorge: Die Linke kommt ja nicht in die Verlegenheit, ihre
Wohltaten in einer Regierung umsetzen zu müssen. Denn auch das war
die Botschaft von Dresden: Noch schlimmer als Union und FDP sind SPD
und Grüne, weil die allenfalls links blinken, aber am Ende stets
rechts abbiegen. Das heißt im Umkehrschluss: Wer die Linkspartei
wählt, der wählt garantiert Opposition pur. Mit dieser Strategie
kommt die Partei zwar ganz sicher auch in den nächsten Bundestag.
Schon allein deshalb, weil die Sozialdemokraten mit Peer Steinbrück
einen Kanzlerkandidaten aufbieten, dem viele Zeitgenossen die Rolle
des sozialen Wohltäters einfach nicht abnehmen. Doch auf der anderen
Seite dürfte die Linke mit ihrer "reinen Lehre" auch dafür sorgen,
dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt und die Regierung mit der FDP
allenfalls gegen eine Große Koalition eintauschen muss. Anstatt
Maximalforderungen zu erheben, müsste es die Linke mal mit machbarer
Politik versuchen. Das würde sicher weniger paradiesisch anmuten.
Aber SPD und Grünen fiele es dann nicht mehr so leicht, sie als
potenziellen Bündnispartner auszuschließen. Dabei ist die Chance für
einen pragmatischen Kursschwenk der Linken eigentlich sogar größer
geworden, seit Oskar Lafontaine sich aufs bundespolitische Altenteil
zurückgezogen hat. Dass sein Plädoyer gegen den Euro keinen positiven
innerparteilichen Widerhall gefunden hat, zeigt: Der begnadete linke
Populist ist bereits Parteigeschichte. Trotzdem herrschte in Dresden
nur ein Stillhalteabkommen zwischen den verfeindeten
Parteiströmungen. Schon nach der Wahl im September könnte es wieder
gebrochen werden.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


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