(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum NSU-Prozess

Geschrieben am 06-05-2013

Bielefeld (ots) - Zunächst völlig unaufgeregt hat gestern der
erste Verhandlungstag gegen Beate Zschäpe und die Terrorgruppe
»Nationalsozialistischer Untergrund« begonnen. Die ausländische
Presse hat einen angemessenen Platz gefunden und braune
Gegendemonstranten blieben der Welt erspart. Trotz hoher
Emotionalität bei Angehörigen und Freunden der Opfer gab es mehr
Normalität, als viele zu hoffen wagten. Selbst die
Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter sind zunächst ein
nahezu übliches Prozedere. Dennoch könnte hier Ungemach drohen.
Richter Manfred Götzl hat nach dem Buchstaben des Gesetzes gehandelt,
als er die Durchsuchung der Verteidiger - ebenso wie aller Zuschauer
- verlangte. Dennoch ist seine Skepsis gegenüber den Verteidigern
unglücklich. Anders als beim Prozess gegen die Rote Armee Fraktion in
Stuttgart-Stammheim treten keine Szene-Anwälte an. Zschäpes Anwälte
sind grundsolide Juristen. Es gilt, gründlich aufzuklären und die
Verantwortung von Beate Zschäpe, der einzigen Überlebenden aus dem
Terror-Trio, offenzulegen. Viel Mühe muss sich das Gericht auch mit
den vier Mitangeklagten machen, deren Verstrickung einzuschätzen ist.
Noch mehr Zeit werden die knapp 60 Anwälte der 80 Nebenkläger in
Anspruch nehmen. Auch deren Anträge haben eine faire Berücksichtigung
verdient. Allerdings sollten die Nebenkläger nicht versuchen, den
Staat wegen seiner Pannen irgendwie auch noch auf die Anklagebank zu
zerren. Der Prozess der politischen Aufarbeitung muss woanders
geführt werden, aber nicht im Sitzungssaal A 101 des
Oberlandesgerichts München. Gewiss ist: Die Öffentlichkeit darf sich
darauf gefasst machen, dass alle Ermittler und Geheimdienstleute, die
in den Zeugenstand treten, für Überraschungen gut sind. Besonders
spannend dürfte es werden, wenn Widersprüchliches präsentiert wird.
Denn: Viele sind Repräsentanten des Versagens. Nicht zu vergessen:
Die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von der Terrorzelle
»Nationalsozialistischer Untergrund« haben sich das Leben genommen,
weil sie Angst vor diesem Prozess und der lebenslangen Haftstrafe
hatten. Sie haben sich gewaltsam einem Verfahren entzogen, dass ihre
Komplizin Beate Zschäpe nunmehr allein durchstehen muss. Kein Mitleid
mit der Angeklagten - sie hätte jederzeit aussteigen können-, aber
von ihrem Verhalten wird vieles abhängen. Wenn der Vorsitzende es
geschickt angeht, wäre sogar vorstellbar, dass Zschäpe noch ihr
Schweigen bricht. Gestern schien es so, dass sich die Hauptangeklagte
abgebrühter gab, als es in ihrem Inneren möglicherweise aussieht. Dem
persönlichen Schmerz der Angehörigen kann das Verfahren nicht gerecht
werden. So sehr wir den Familien der acht türkischstämmigen und des
griechischen Opfers als auch der deutschen Polizeibeamtin dies
wünschen, so hat das Gericht eine andere Aufgabe. Recht zu sprechen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

462368

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Russland/Putin Stuttgart (ots) - Genau ein Jahr nach dem Wiedereinzug von Wladimir Putin in den Präsidentenpalast sind die Beziehungen Russlands zum Westen ziemlich abgekühlt. Auch im eigenen Land ist der Präsident nicht mehr heiß geliebt. Zum ersten Mal in der inzwischen dritten Amtsperiode Putins hat sich eine - wenn auch knappe - Mehrheit der Russen gegen eine nochmalige Kandidatur ihres Präsidenten ausgesprochen. Die nächsten Wahlen sind erst im Jahr 2018, trotzdem ist die Konsequenz, mit der schon heute gegen potenzielle Konkurrenten mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu EU/Saatgutverordnung Stuttgart (ots) - Saatgut ist das neue Wasser: Ähnlich wie bei der Konzessionsrichtlinie, von der deutsche Stadtwerke nichts Gutes erwarten, hat sich auch für den Erhalt alter Pflanzensorten im Internet eine schlagkräftige Gegenbewegung etabliert. In beiden Fällen hat der Protest den Gesetzestext verändert - bei der EU-Saatgutverordnung sogar, bevor er überhaupt vorgestellt wurde. Unabhängig davon, wie man politisch zu den Vorhaben steht, ist das die gute Nachricht. Nicht nur professionelle Lobbyisten können den Brüsseler Gesetzgebungsprozess mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Ungarn/Antisemitismus Stuttgart (ots) - Ungarn hat ein Problem - ein Problem mit dem Antisemitismus im Land. Das sieht der Jüdische Weltkongress so und hält als deutliche Mahnung seine Tagung in Budapest ab. Einer aber versucht das Problem kleinzureden: Viktor Orbán. Natürlich verurteilt auch er jegliche Art von Antisemitismus, doch außer vielen Phrasen hat der Premier nichts zu bieten. Im Gegenteil: er relativiert das Problem im eigenen Land und versucht die Schuld dem Rest Europas in die Schuhe zu schieben. Kein Wort Orbáns zu den antisemitischen Demonstrationen mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Angela Merkel verlangt strengere Klimaziele Die Appell-Kanzlerin MATTHIAS BUNGEROTH Bielefeld (ots) - Wie war das noch in Doha? Der Weltklimagipfel im vergangenen Dezember konnte sich nicht dazu durchringen, stärkere Anstrengungen im Sinne des Klimaschutzes festzuschreiben. Drückte der frischgebackene Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zunächst noch sein Bedauern darüber aus, dass es bei den Finanzen und der Reduzierung der Treibhausgase nicht zur Festschreibung konkreter Ziele gekommen war, sprach er zwei Tage später, am Schluss der Weltkonferenz, von einem "wichtigen Meilenstein". Die Kanzlerin schwieg. mehr...

  • Rheinische Post: Bayern spielt auf Zeit Düsseldorf (ots) - Uli Hoeneß bleibt Aufsichtsratschef und Präsident des FC Bayern München. Vorerst. Der Aufsichtsrat des wichtigsten deutschen Fußballklubs spielt auf Zeit. Er will seinen Vorsitzenden zumindest bis zum Finale der Champions League aus den Schlagzeilen bringen. Und er will Ruhe im Klub. Dass der Fall Hoeneß im Verein wieder auf die Tagesordnung kommt, ist sonnenklar. Diese Tür hat der Aufsichtsrat durch die Formulierung, er werde "die Angelegenheit weiter beobachten und sich bei Vorliegen neuer Erkenntnisse mit dem mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht