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Mittelbayerische Zeitung: Nur Verlierer - Die Gehälteraffäre ist und bleibt selbst für die Aufklärer ein unerfreuliches Thema. Von Holger Schellkopf

Geschrieben am 03-05-2013

Regensburg (ots) - Größtmögliche Transparenz klingt doch schon mal
ziemlich gut. Noch besser, dass man Landtagspräsidentin Barbara Stamm
wirklich abnehmen kann, es handle sich dabei um ernsthafte Absicht.
Blöd nur, dass der Pfad zur Transparenz deutlich zu spät entdeckt
wurde. Noch blöder, dass gerade in den Reihen der CSU nicht eben
wenige Abgeordnete zu finden sind, die auf Transparenz gerade bei
diesem Thema so überhaupt keine Lust haben. Keine Frage, rechtlich
sind die Damen und Herren MdL im Zuge der selbst verabschiedeten
Altfall-Regelung - allein der Name macht einen schon stutzig - ganz
offensichtlich auf der sicheren Seite. Umso unverständlicher ist
deshalb aber, dass sich auch Betroffene aus der Oberpfalz vor allem
durch verschwurbelte Aussagen, verstocktes Schweigen oder eine
Mischung aus beidem hervorgetan haben. Auf diese Weise ist der
Verdacht, es könne hier etwas nicht stimmen erst wirklich genährt
worden. Auf diese Weise ist auch die Chance vertan worden, mit dem
Thema vernünftig und differenziert umzugehen. Dabei gebe es viele
Gründe, nicht alle Fälle über einen Kamm zu scheren. Schließlich ist
es ein erheblicher Unterschied, ob ein Fraktionschef seiner Ehefrau
monatlich ein schwer erklärbares Gehalt von 5500 Euro überweist, ein
Abgeordneter seine minderjährigen Kinder auf der Lohnliste hat oder
ob es ein ganz normaler Auftrag für die Werbeagentur des Nachwuchses
ist. Letzteres kann völlig unspektakulär und ohne jeden seltsamen
Beigeschmack sein. Die anderen Fälle erscheinen zumindest, als hätte
jemand versucht, der nahen Verwandtschaft und damit sich selbst ein
zusätzliches Einkommen zu verschaffen. Durch die Mauertaktik der
Vergangenheit ist die Chance auf eine differenzierte Betrachtung aber
komplett verbaut worden. Jetzt gilt: Wer auf einer solchen Liste
auftaucht, der ist verdächtig. Ganz schnell wittert deshalb
SPD-Spitzenkandidat Christian Ude die Chance, mit der Gehälteraffäre
seinem schon ziemlich erlahmten Wahlkampf neuen Schwung zu verleihen.
Mit der größtmöglichen Empörung positioniert sich Ude als Aufräumer,
definiert die Angelegenheit als schwere Regierungskrise und fordert
gleich mal einen Schwung von Rücktritten von Kabinettsmitgliedern.
Eine solche Chance darf man sich wahrscheinlich in der insgesamt
wenig vielversprechenden Lage eines bayerischen SPD-Spitzenkandidaten
nicht entgehen lassen. Deshalb müssen die von der Affäre ebenfalls
betroffenen Parteifreunde Udes halt als Kollateralschaden mit dem
Stichwort Parlamentskrise abgehakt werden. Bei allem Verständnis für
den Beißreflex des Wahlkämpfers: Auf der Strecke bleiben am Ende
nicht nur ein paar Abgeordnete, die ihre Verwandtschaft versorgt
haben. Auf der Strecke bleibt bei dieser Art des Umgangs einmal mehr
auch ein gutes Stück Vertrauen in die Politik und deren
Protagonisten. Was bei den Menschen ankommt, ist nämlich vor allem
eine ziemlich unangenehme Mischung. Die einen machen durch
vermeintliche Absahnerei auf sich aufmerksam, die anderen durch wenig
inhaltsgetriebenes Eindreschen auf den politischen Gegner.
Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus. Die Attacken der
Opposition schaden nicht nur der regierenden CSU. Das ist schon
deswegen nicht so ganz einfach, weil sich deren Chef Seehofer in
Höchstgeschwindigkeit von den Affären-Akteuren distanziert hat. Vor
allem aber schaden sich Ude und die Seinen auch selbst. Wer nicht
gewillt ist zu differenzieren, kann dies auch nicht von anderen
erwarten. Was herauskommt sind frustrierte Wähler und Politiker mit
Imageschaden - kurz: Verlierer auf allen Seiten.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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